Vital, neugierig und progressiv setzt die französische Szene wichtige Wegmarken für die Entwicklung des zeitgenössischen europäischen Jazz. Trotz aller Offenheit gegenüber Musikkulturen, Genres und Strömungen hat sie aber nie die Bodenhaftung verloren.
Fortschritt auf den Füßen der eigenen Tradition charakterisiert Frankreichs Jazz und der Saxofonist Emile Parisien ist einer seiner Protagonisten: Ein Jazzvisionär, der mit einem Bein in der Vergangenheit steht und den Blick weit nach vorne richtet. Das macht ihn zur „besten Neuigkeit des europäischen Jazz seit langem“ (Le Monde), dem „ungeteilte Aufmerksamkeit“ (Norddeutscher Rundfunk) geschenkt werden sollte.
Parisiens musikalische Koordinaten sind weit abgesteckt, von der folkloristischen Tradition seiner Heimat führen sie über die Kompositionsstrategien der neuen Musik zur melodischen und harmonischen Abstraktion des freien Jazz. Die besondere Qualität dieses weiten musikalischen Feldes liegt in der Selbstverständlichkeit, mit der es ausgelotet wird. Nichts wirkt bei Parisien kalkuliert oder gezwungen. Stattdessen fließen in seine Musik ganz unangestrengt, leichthändig und ohne konzeptionelle Absicherung die Genremerkmale ineinander.
Das Ergebnis klingt furios und ist ein großer Hörspaß in vielen Facetten: von provokativ-anarchisch bis mitreißend-swingend.
Wer den quirligen Franzosen jemals live auf der Bühne erlebt hat, weiß, dass er den Jazz mit Leib und Seele lebt. Authentizität und Ehrlichkeit schwingen in jedem Ton mit. Auszeichnungen ließen nicht lange auf sich warten: Parisien wurde jeweils als Künstler des Jahres mit den beiden wichtigsten Jazzpreisen Frankreichs, den „Prix Django Reinhard 2012“ und den „Victoires du Jazz 2014“ ausgezeichnet. In Deutschland erhielt er den ECHO Jazz 2015 in der Kategorie „Bestes internationales Ensemble“, für das mitreißende Duo mit seinem musikalischen Alter Ego und engem Freund, dem Akkordeonisten Vincent Peirani.
Die beliebte Zusammenstellung "Magic Moments", kuratiert von Siggi LochTrackliste:
01 Elevation of Love // Album: e.s.t. 30
Magnus Öström, Dan Berglund, Magnus Lindgren, Joel Lyssarides, Verneri Pohjola, Ulf Wakenius 02 Second Nature // Album: Life Rhythm
Wolfgang Haffner03 Raw // Album: raw
Nils Landgren Funk Unit 04 The Answer // Album: The Answer
Jakob Manz 05 Shots // Album: Bloom
Bill Laurance 06 Das Handtuch // Album: Tough Stuff
Iiro Rantala 07 She’ll Arrive Between 10 & 11 // Album: Guitar PoetryMikael Máni 08 Terrible Seeds // Album: While You Wait
Little North 09 Se Telefonando // Album: Ennio
Grégoire Maret, Romain Collin 10 Wonderland // Album: Wonderland
Daniel García Trio 11 Fresu // Album: Inner Spirits
Jan Lundgren, Yamandu Costa 12 Hands Off // Album: Stealing Moments
Viktoria Tolstoy 13 Hidden Prelude // Album: What the Fugue
Florian Willeitner 14 Pralin // Album: Let Them Cook
Emile Parisien 15 My Brother Rolf // Album: Komeda
Joachim Kühn 16 Passacaglia // Album: Passacaglia
Adam Bałdych, Leszek Możdżer 17 Linden Tree Rag // Album: Rag Bag
Bernd Lhotzky 18 Zafeirious Solo // Album: Arcs & Rivers
Joel Lyssarides, Georgios Prokopiou
Emile Parisien - Let Them CookCD / Vinyl / digital
Emile Parisien soprano saxophone & effects
Julien Touéry piano
Ivan Gélugne double bass
Julien Loutelier drums & electronics
Wenn Unfälle passieren, dann normalerweise in Sekunden, manchmal in Minuten. Doch dieser hier dauert schon 20 Jahre an...
So lange ist es her, dass die Mitglieder des Emile Parisien Quartetts erstmals auf einer Jamsession zusammenspielten. Am Ende schauten sie einander ungläubig an. Sie waren nicht nur von einem kollektiven musikalischen Blitz getroffen worden, sondern sie wussten auch, dass sie soeben...nun ja...etwas...ins Leben gerufen hatten. Der gemeinsame Nährboden war
der Jazz, aber jeder hatte alle möglichen Samen darin zu säen, von klassischer Musik und zeitgenössischen Klängen bis hin zu Rock, Electronica und Chanson. Saxofonist Emile Parisien, Pianist Julien Touéry, Bassist Ivan Gélugne und Schlagzeuger Julien Loutelier reißen Barrieren nieder, ändern Regeln und wissen doch genau, wohin sie wollen. "Das zentrale Anliegen der Band war und ist das Geschichtenerzählen", betont Parisien.Ihr neues Album "Let Them Cook" ist wie ein frischer Wind und die Musik der Band atmet hörbar den Geist des Jahres 2024 und nicht mehr den des Gründungsjahrs 2004. Es gab einen besonderen Wendepunkt auf dem Weg dahin: Bei einem Konzert in
Schweden gegen Ende ihrer "Double Screening"-Tournee hatten sie die Chance ergriffen, von einem rein akustischen Sound abzuweichen und etwas Elektronik zu integrieren. Es funktionierte und es schien, dass diese elektronischen Einsprengsel den Sound der Band nie verunreinigten, sondern eher verstärkten.
Und der Weg von einem rein akustischen Sound hin zu einer Mischung aus akustischen und elektronischen Elementen ist auch eine Antwort auf die allgegenwärtige Frage: Wie kommt man vom klassischen Jazz-Quartett aus Saxophon, Klavier, Bass und Schlagzeug zu einem neuen, eigenen Sound? "Wir versuchen immer, neue Antworten auf diese Frage zu finden!“ sagt Emile Parisien. „Es hat keinen Sinn, das zu wiederholen, was die Gruppen von John Coltrane und Wayne Shorter gemacht haben, denn in vielerlei Hinsicht wird man ihr Niveau nie erreichen." Und Wayne Shorter selbst, einer der wichtigsten Einflüsse der Band, sagte einmal: "Es gibt einen bestimmten Weg, den die meisten Menschen gehen, weil er ihnen vertraut ist. Ich ziehe es vor, eine andere Abzweigung zu nehmen, von der aus man einen anderen Blick hat. Ich nenne das die weniger befahrene Straße".
Seit 20 Jahren nimmt uns das Emile Parisien Quartett mit auf ihren Weg auf dieser Straße voller unerwarteter Abbiegungen und Abenteuer.Credits:Produced by the artists
Emile Parisien - Les MétanuitsCD / Vinyl / digital
Emile Parisien soprano saxophone Roberto Negro piano
100 Jahre Ligeti: Duo-Improvisationen inspiriert von György Ligetis Streichquartett Nr. 1 „Métamorphoses nocturnes“Am 28. Mai 2023 wäre der Komponist György Ligeti 100 Jahre alt geworden. Auch wenn ihn Filmregisseur Stanley Kubrick durch die Verwendung seiner Musik in dem Soundtrack für „2001: Odyssee im Weltraum“ bekannt gemacht hat, ist der Kosmopolit der Neuen Musik kein Publikumsfavorit geworden. Umso mehr Eindruck hat Ligeti bei den Musikern selbst hinterlassen. Mit seiner lebenslangen Suche nach neuen Wegen, von der Klangflächen-Musik über Mikropolyphonie bis zur Mikrotonalität hat er auch Jazzmusiker beeinflusst. Wenn sich ihm nun der herausragende französische Sopransaxofonist Emile Parisien und der Italiener Roberto Negro, den viele wegen seiner eigenen Projekte wie der Zusammenarbeit mit den Ceccaldi-Brüdern für einen der aktuell spannendsten Pianisten Europas halten, auf ihrem Duo-Album „Les Métanuits“ mit Ligeti befassen, dann ist das kein Schnellschuss zum Geburtstag, sondern ein Projekt mit einer langen Vorgeschichte. „Als wir vor acht, neun Jahren erstmals zusammenspielten, trafen Emile und ich uns in meiner Küche, um über Musik zu reden und uns näher kennenzulernen,“ berichtet Negro. Schnell stellten sie fest, dass sie beide Ligeti sehr verehren. Negro sogar dank einer biografischen Parallele: Der gebürtige Turiner wuchs vor seinem Studium in Paris in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa auf; Ligeti selbst verbrachte viel Zeit mit dem Studium afrikanischer Musik, was seine polyrhythmische Ästhetik prägte. Obendrein waren sich die beiden auch über ihr Ligeti-Lieblingsstück einig: Das Streichquartett Nr. 1 ‚Métamorphoses nocturnes‘. So ergaben sich später immer wieder Berührungen damit, zum Beispiel begleitete man einmal das renommierte Streichquartett Quatuor Béla bei einer Aufführung. Jetzt war Zeit und Gelegenheit, sich im Duo eingehend mit dem 1953/54 komponierten Kammermusikwerk zu befassen.„Das Streichquartett ist eine reichhaltige Inspirationsquelle für unsere Improvisationen“, erklärt Parisien. „Als eines seiner frühen Werke aus den Fünfzigerjahren ist es noch stark von Béla Bartók beeinflusst. Deshalb auch dieses starke, bewegende Generalthema, dass sich durch das ganze Stück zieht.“ Besonders die Rhythmik des Stücks, die fast schon an Strawinski erinnert, begeisterte Parisien und Negro seit jeher. Sie verleiht ihrer nach den Tempobezeichnungen in elf Teile gegliederten Adaption nun die entscheidende Struktur. Ligeti schätzte die Improvisation beim Jazz, lehnte sie aber innerhalb seiner Kompositionen ab. Entsprechend respektvoll gingen Parisien und Negro vor: „Die originalen Motive, Stimmungen und Farben blitzen immer wieder hervor. Harmonisch haben wir sie mit unseren Ideen erweitert,“ erklärt Negro. „Das Streichquartett ist im Original ja nur etwa 22 Minuten lang. Bei unserer Albumfassung sind daraus 45 Minuten geworden, und wenn wir es live spielen, wird es noch länger. Dafür haben wir den Titel verkürzt und aus “Métamorphoses nocturnes” die „Métanuits“ gemacht, ergänzt er schmunzelnd.Ein faszinierendes, bei allem ineinandergreifendes Vexierspiel ergibt sich daraus. Hochvirtuos alle klanglichen Möglichkeiten ihrer Instrumente nutzend, oft in irrwitzigem Tempo (schnelle Bezeichnungen wie Allegro, Presto oder Prestissimo dominieren, nur am Schluss steht ein Largo), dann wieder mit lyrischem Atem jagen die beiden durch sich ständig ändernde Umrahmungen des abwechselnd mit unwiderstehlichem Ausdruck durchgeführten, durchaus melodiösen Themas. „Die Überschneidungen zwischen klassischer Musik und Jazz liegen mir besonders am Herzen. Die Grenzen zwischen diesen Genres müssen nicht mehr bestehen“, befindet Roberto Negro. Was er und Emile Parisien mit „Les Métanuits“ trefflich beweisen. Halten Sie sich bei ihre Ligeti-Hommage doch erst gar nicht mit historisierenden Konventionen einer alten abstrakten Avantgarde auf. Sondern lassen betörend aktuelle, mitreißend konkrete Musik erklingen. Credits:
Produced by Roberto Negro & Emile Parisien Executive production: Full Rhizome
Emile Parisien - Les ÉgarésCD / Vinyl / digital
Ballaké Sissoko kora Vincent Segal cello Emile Parisien soprano saxophone Vincent Peirani accordion, accordina
„Les Égarés“ ist mehr als ein Musikalbum. Es ist ein Spielplatz und Ort der musikalischen Zusammenkunft, besiedelt von zwei außergewöhnlichen Paaren, die für Genre-Experimente und deren Überschreitungen stehen: Der führende afrikanische Kora-Spieler Ballaké Sissoko und der Cellist Vincent Segal auf der einen, „das französische Spitzen-Duo (3sat), der Akkordeonist Vincent Peirani und der Sopransaxofonist Emile Parisien auf der anderen Seite. Gemeinsam macht zwei plus zwei nicht vier, sondern eins. Denn dieses ungewöhnliche Quartett bildet eine Einheit des Geistes, aus der ein einziger, fließender Klang entspringt. Ihr Zusammenspiel verachtet jede Form von egoistischem Konkurrenzdenken. Alle Teilnehmer stellen sich in den Dienst eines gemeinsamen musikalischen Werts. Weder Jazz noch traditionelle Volksmusik, weder Kammermusik noch Avantgarde für sich ist das, vielmehr von allem etwas und alles auf einmal. Damit ist „Les Égarés“ die Art von Album, die das Ohr zum wichtigsten Instrument macht, ein Album, in der sich Virtuosität in einer besonderen Kunst der Komplizenschaft ausdrückt und wo aus der simplen aber anspruchsvollen Idee des gegenseitigen Zuhörens ein hinreißendes vierstimmiges Lied entspringt.
Alles begann mit einem Gipfeltreffen, hoch oben auf einem Hügel mit Blick über Lyon. Im Juni 2019, beim „Les Nuits de Fourvière“ Festival, kamen Sissoko, Segal, Peirani und Parisien erstmals zusammen. Sie schlossen einen Pakt: Nie sollten Planungen und Proben den Vorrang vor dem spontanen Schöpfungsmoment bekommen. Um des Vergnügens willen begannen sie zu jammen. Die Musik floss wie eine Quelle, frisch und klar. „Diejenigen, die sich verirrt haben“ („Les Égarés“), hatten zusammengefunden und formten von nun an ein Quartett. Drei Jahre im Aufnahmestudio war es denn auch genauso wie beim ersten Mal: ein spontaner Austausch von Impulsen, Ideen und Know-how: Vier inspirierte Künstler beseelt von dem Wunsch, sich in der Musik zu unterhalten. Von den ersten Tönen an war alles in Bewegung, vibrierend. Keine Überraschung: Niemand unter diesen vier Freigeistern mag es, gefangen zu sein, sei es in einer bestimmten Rolle, einem bestimmten Stil oder einem Klang, auf den ihr Instrument so leicht festgelegt werden könnte.
Jeder Musiker brachte Stück-Ideen mit ins Studio, die in einer akustischen Live-Umgebung zum Leben erweckt wurden: Man nehme zum Beispiel Sissokos „Ta Nyé“ und „Banja“ aus dem Kanon der westafrikanischen Mandika, die wie Start- und Ziellinien den von Les Égarés eingeschlagenen Weg markieren: Zwei Kora-Melodien, die wie von Echos der anderen Instrumente umhüllt und subtil weitergetragen werden. Ein Hauch von Armenien kleidet die ersten Takte von „Izao“ ein, einem Stück, das über die Türkei in Richtung Transsilvanien gleitet, untermauert von einem pulsierenden Bass. „Amenhotep“ setzt eine langsame, aber bestimmt aufsteigende Spirale in Gang, eine Coltrane-artige Trance, die den ineinanderfließenden Atem von Akkordeon und Saxophon in die Höhe treibt. „Dou“ weckt Erinnerungen an einen uralten Blues, die Anmutung eines Wiegenlieds entsteht. Das Titelstück „La Chanson des Égarés" entspringt diesen unwiderstehlichen melodischen Kadenzen, die, wie es Vincent Segal ausdrückt, „einem im Kopf herumschwirren, wenn man geht, ohne zu wissen wohin, sich treiben lässt und sich dem Vergnügen des Verlorenseins hingibt“ - ein Vergnügen, das für sich genommen die Philosophie dieses Albums zusammenfasst. Themen, die aus fremden Quellen entliehen sind, werden auf ähnliche Weise transzendiert: „Esperanza", ein Klassiker des Akkordeonisten Marc Perrone, klingt wie eine Cumbia, gleichzeitig wach und sanft. Ihre akustische Coverversion des „Orient Express“ von joe Zawinul büßt nichts von der Eindringlichkeit und dem ansteckenden Groove des Originals ein, dient vielmehr aber als Sprungbrett für solistische Exkursionen von schwebender Leichtigkeit.Ohne jede Effekthascherei vollbringen die vier Verschworenen eine ganze Reihe von versteckten Heldentaten. „Les Égarés“ ist eine Aufnahme, die es schafft, sich lustvoll zu verlieren und nicht mehr unterscheiden zu können, wer was tut in der intimen Verflechtung der einzelnen Stimmen; eine Aufnahme des achtsamen Miteinanders und genussvollen Davondriftens. Mit feiner Intelligenz und kühner Eleganz: „Ich habe noch nie ein Album in so einer Atmosphäre aufgenommen", sagt Vincent Peirani. „Keiner von uns hat etwas ‚vorgeführt‘, sodass die Musik viel kommuniziert, ohne dass man sie je „erzählen“ muss. Keiner von uns besaß die Wahrheit vorher: Wir haben sie nur gemeinsam gefunden.“ Les Egares – vier Musiker, zwei Paare, eine Einheit, verloren in der Schönheit des gemeinsamen Musizierens. Credits:
Produced by Ballaké Sissoko, Vincent Segal, Emile Parisien and Vincent Peirani
Nils Landgren - 3 GenerationsCD / Vinyl / digital
Nils Landgren with Joachim Kühn, Michael Wollny, Iiro Rantala, Lars Danielsson, Cæcilie Norby, Viktoria Tolstoy, Wolfgang Haffner, Ulf Wakenius, Jan Lundgren, Ida Sand, Youn Sun Nah, Vincent Peirani, Emile Parisien, David Helbock, Marius Neset, Nesrine, Julian & Roman Wasserfuhr, Anna Gréta, Johanna Summer, Jakob Manz, and many more
We are Family – 30 Jahre ACT
Der Schwede Nils Landgren war und ist das Rückgrat der ACT Familie. Vierzig Alben als Leader und weitere zwanzig als Produzent und Solist sind bisher auf dem Label erschienen. Michael Wollny, der mit Landgren durch viele gemeinsame Projekte verbunden ist, bringt dessen Künstlerpersönlichkeit und eines der entscheidenden Geheimnisse seines Erfolgs auf den Punkt: „Mit Nils wird alles leicht.“ Diese ansteckende Leichtigkeit, welche sich durch das ganze Tun von Mr. Red Horn zieht, ist umso bemerkenswerter, wenn man resümiert, wie viele Rollen er ausübt: Posaunist, Sänger, Bandleader, Produzent, Festival-Leiter, Talent Scout, Professor, Kurator und Mentor. All diese Rollen und damit verbundenen Qualitäten kommen auf „3 Generations“ parallel zum Tragen: Zusammen mit ACT-Gründer und Produzent Siggi Loch bringt Landgren, anlässlich des 30-jährigen Label-Jubiläums, drei Generationen von ACT-Künstler*innen in verschiedenen Besetzungen zusammen. Die Freundschaft und Zusammenarbeit von Landgren und Loch währt fast schon so lange wie das Bestehen von ACT. Im Jahr 1994, nur zwei Jahre nach Gründung, begegneten sich die beiden erstmals auf dem Jazz Baltica Festival. Kurz darauf wurde Landgren exklusiver ACT-Künstler. Über sein Netzwerk kamen in der Folge Künstler*innen wie Esbjörn Svensson, Viktoria Tolstoy, Rigmor Gustafsson, Ida Sand, Wolfgang Haffner und viele mehr zum Label. Die Rolle als Vertrauter und Integrationsfigur für ACT hat Landgren bis heute inne. Das finden und fördern junger Talente war und ist eine Kernkompetenz von ACT. Das galt für Nils Landgren, oder später auch für Michael Wollny, der 2005 zum Label kam und heute zu den wichtigsten Pianisten Europas zählt. Mit Künstler*innen wie Johanna Summer und Jakob Manz, beide noch nicht geboren als ACT gegründet wurde, blickt das Label in die Zukunft, mit einer neuen Generation von Musikern, die der Jazzwelt neue Impulse geben. Die britische Times schrieb: „Seit 1992 hat ACT eine eigene ‘Europäische Union‘ der Musik formiert, die die Freizügigkeit zwischen Nationalitäten und Genres fördert und so einen authentischen Eindruck davon vermittelt, was diesen Kontinent ausmacht.“ An die vierzig Künstler und Künstlerinnen aus dem Kreis der ACT Family untermauern auf „3 Generations“ diese Aussage und machen das Jubiläumsalbum zu einer Feier der Bandbreite, Offenheit und integrativen Kraft des Jazz. Im Mittelpunkt stehen Aufnahmen einer mehrtägigen Studio-Session im Sommer 2022, wie sie wohl nur Nils Landgren und Siggi Loch auf die Beine stellen können. Ein musikalischer Streifzug quer durch Europa, mit Einflüssen aus Jazz, populären Songs, Folk, klassischen Elementen, zeitgenössischer Musik und vielem mehr. Drei Musikergenerationen dokumentieren auf dreißig Stücken dreißig Jahre ACT mit Nils Landgren als Spiritus Rector. Nicht nur eine Retrospektive, sondern vor allem ein Blick in das Heute und Morgen des Entdecker-Labels “in the Spirit of Jazz”.Credits:
Recorded by Thomas Schöttl at Jazzanova Studio, Berlin on June 7 - 9, 2022, assisted by José Victor Torell – except as otherwise indicated Mixed and mastered by Klaus Scheuermann Produced by Siggi Loch and Nils Landgren The Art in Music: Cover Art by Yinka Shonibare CBE: Detail from Creatures of the Mappa Mundi, Mandragora, 2018
Various Artists - Magic Moments 15: In the Spirit of JazzCD / digitalBestes Jazzinfotainment zum 30 jährigen Jubiläum von ACT: 16 Tracks, 65 Minuten Musik in the Spirit of Jazz, u.a. mit Nils Landgren, Emile Parisien & Theo Croker, Iiro Rantala, Vincent Peirani Trio, Michael Wollny Trio, Joel Lyssarides, Jakob Manz & Johanna Summer, uvm.Credits:
Compilation by Siggi Loch
Mastered by Klaus Scheuermann
Emile Parisien - LouiseCD / Vinyl / digital
Emile Parisien soprano saxophone
Theo Croker trumpet
Roberto Negro piano
Manu Codjia guitar
Joe Martin bass
Nasheet Waits drums
„Le Monde“ nennt den Sopransaxofonisten Emile Parisien „das Beste, was dem europäischen Jazz seit langem passiert ist.“ Für „Louise“ hat dieser nun ein hochkarätiges amerikanisch-europäisch besetztes Sextett zusammengestellt. Seinen Sinn für eine ausgeprägte musikalische Handschrift entwickelte Parisien bemerkenswert früh: Er war 10 Jahre alt, als seine Familie in Cahors die Nachricht erreichte, dass im rund 200 Kilometer entfernten Marciac eine neue Musikschule eröffnet würde. Genau dies sei die Schule, die der Youngster besuchen wolle, sagte er seinen Eltern, und mit ihrer Zustimmung und Unterstützung zog er los, um dort aufs Internat zu gehen. Die Schule ebnete Parisiens Weg zu einer professionellen Musikkarriere. Auf dem renommierten Jazzfestival in Marciac lernte er einige amerikanische Jazzgrößen kennen, die schließlich zu seinen Mentoren wurden: Wynton Marsalis (mit dem er später in seiner eigenen Band und auf dem Album „Sfumato live“ die Bühne teilte), Clark Terry, Bobby Hutcherson und Oscar Peterson…
Dass die Hälfte der Musiker auf „Louise“ ebenfalls US-Amerikaner sind, nämlich Theo Croker (Trompete), Joe Martin (Bass) und Nasheet Waits (Schlagzeug), ist für Parisien von besonderer Bedeutung: „Es war Zeit für mich zu der Quelle zurückzukehren, die mir die Liebe zum Jazz überhaupt gegeben hat.“ Mit Croker und Martin stand Emile Parisien erstmals 2018 auf der Blue Note Tribute-Tour mit den „Jazz Animals“ auf der Bühne, für ihn ein außergewöhnlicher Moment und der Beginn einer besonderen musikalischen Verbindung und Freundschaft. Auf „Louise“ gibt Parisien besonders Theo Crokers Trompetenspiel viel Raum zur Entfaltung seiner emotionalen und stilistischen Bandbreite und hat hörbar Freude daran, seine eigene melodische Stimme mit der von Croker zu verflechten. In ihrem Zusammenspiel liegt etwas Magisches und sorgt für einige der vielen ergreifenden Momente auf diesem breit gefächerten und doch sehr runden Album. Schließlich lässt Parisien Croker mit dessen stimmungsvoller Komposition „Prayer 4 Peace“ auch das letzte Wort auf „Louise“. Schlagzeuger Nasheet Waits prägt das gesamte Album mit seinem lebendigen Spiel und einer energetisierenden Präsenz, insbesondere im dritten Teil von „Memento“, dem umfangreichsten Stück auf „Louise“, welches Parisien seiner Mutter widmet. „Nasheet ist unglaublich. Es war ein Traum, mit ihm zu spielen“, sagt Parisien, der Waits' Spiel schon auf unzähligen Aufnahmen bewunderte, bevor sich ihre Wege auf Festivals kreuzten. Und mit Joe Martin komplettiert einer von New Yorks „First-Call“-Bassisten die Rhythmusgruppe, den Parisien bereits aus seiner Zeit als Mitstreiter des Quartetts von Pianist Yaron Herman kennt.
Manu Codjia und Robert Negro sind zwei der engsten musikalischen Wegbegleiter von Emile Parisien. „Wir haben in unglaublich vielen Kontexten gespielt und dabei unendlich viel Musik gemeinsam erforscht“, sagt Parisien. Gitarrist Codjia war einer der allerersten Musiker, die er kennenlernte, als er vor fast zwei Jahrzehnten nach Paris zog. „Manu hat die erstaunliche Fähigkeit, der ‚Kleber‘ zu sein, der eine Band zusammenhält und einen gemeinsamen Sound erzeugt.“ Codjia hat die Komposition „Jungle Jig“ beigesteuert, ein energiegeladenes Stück mit einer perfekten Balance zwischen Chaos und Ordnung. Auch Pianist Roberto Negro spielt regelmäßig mit Parisien, besonders im Duo, aber auch mit dessen „Sfumato“ Ensemble. „Europäische Musik, Klassik, Jazz, Roberto beherrscht alles so hervorragend! Er ist ein vollkommener Musiker“, sagt Parisien. Dies belegt auch dessen Komposition „Il giorno della civetta“ mit ihrem eleganten Tempo und wunderbar natürlichen Fluss.
Emile Parisiens sanftes, weiträumiges und meditatives Stück „Louise“ liefert den Titel und Rahmen für das gesamte Album. Gewidmet ist er der Bildhauerin Louise Bourgeois. Parisien beeindrucken ihre „Maman“-Spinnen-Skulpturen tief. Die riesigen Kunstwerke, die sich im öffentlichen Raum mit einer so unheimlichen wie faszinierenden Präsenz in das Leben der Menschen drängen, sind für Parisien einerseits ein Sinnbild dafür, wie der Corona-Lockdown den Menschen die Freude daran genommen hat, sich in diesen Räumen zu bewegen. Zugleich sind Bourgeois’ Skulpturen sehr stark mit Themen der Mutterschaft (Maman = Mutter) und den Metaphern des Spinnens, Webens, Pflegens und Schützens verbunden. Und so ist Parisiens Zuneigung und Wertschätzung der bedingungslosen Liebe von Müttern zu ihren Kindern der emotionale Hintergrund des Titeltracks. Zwei Stücke rücken schließlich europäische Musiker in den Vordergrund, die Parisien entscheidend geprägt haben: „Jojo“ ist eine freudvolle Anspielung auf Joachim Kühn - unverkennbar und zutiefst „Ornette-artig“. Und „Madagascar“ von Joe Zawinul erinnert an eine Zeit, als Parisien in „The Syndicate“ spielte, einer Band, die 2007 gegründet wurde, um Zawinuls Erbe fortzuführen und seine Musik lebendig zu halten. „Louise“ ist ein bemerkenswertes Album, in dem wilde Energie ganz harmonisch und natürlich mit einer weichen Seite koexistiert, dessen Freiheit und Schönheit umso mehr zum Vorschein kommt, je genauer und öfter man hinhört. Und es ist der bisher tiefste und persönlichste Einblick in die Seele, den Charakter und die kreative Individualität Emile Parisiens, als einem der aktuell wichtigsten Jazzmusiker Europas.Credits:
Recorded by Mathieu Pion at Studio Gil Evans de La Maison de la Culture, Amiens (France), June 2021
Mixed by Mathieu Pion in October 2021
Mastered by Klaus Scheuermann
Produced by Emile Parisien
Executive Producer: Andreas Brandis & Full Rhizome
Jan Lundgren - Into the NightCD / Vinyl / digitalJan Lundgren pianoEmile Parisien soprano saxophoneLars Danielsson bassDirekte, unmittelbare Kommunikation, ständig in Bewegung, zu jeder Millisekunde auf Augenhöhe, offen, frei, feinstofflich hochwertig und tatsächlich demokratisch ohne jedwede hierarchische Tendenz: So lauten die Parameter für das perfekte Trio. Nicht wenige benutzen diese Attribute, jedoch ohne sich je um deren tiefere Bedeutung Gedanken zu machen… Für Jan Lundgren galt dieses Format deshalb schon immer als die Ultima Ratio der gelebten Improvisationskultur. Seit 1995 unterhält er ein eigenes klassisches Piano-Trio, aber erst als der schwedische Pianist 2007 mit seinem bahnbrechenden „Mare Nostrum“-Projekt das klassische Pianotrioformat aufbrach und mit dem sardischen Trompeter Paolo Fresu sowie dem französischen Akkordeonisten Richard Galliano eine kongeniale Allianz bildete, die Kritiker sogar als die „erste europäische Supergroup“ priesen, kam er seinem Ideal so nahe wie noch nie zuvor. Jan Lundgren wäre aber nicht der rastlose, ewig auf der Suche be-findliche Workaholic, wenn er sich damit zufriedengeben und nicht weiter pausenlos nach neuen Herausforderungen Ausschau halten würde. „Ich habe immer starke Stimmen in der europäischen Jazzszene gesucht, Musiker, die eine ähnliche Abenteuerlust wie ich verspüren und sich in alle Richtungen bewegen können“, erklärt der 55-Jährige. Eine gute Plattform dafür bietet regelmäßig „sein“ Ystad Sweden Jazz Festival, das Lundgren 2010 in dem durch Henning Mankells Wallander-Krimis weltbekannten Städtchen an der schwedischen Südküste ins Leben rief und seither leitet – mit der Option von jährlich zwei eigenen Auftritten. Schon 2015 entsprang daraus das „Ystad Concert“ mit dem Bas-sisten Mattias Svensson und dem Bonfiglioli Weber String Quartet – ein Tribut an den schwedischen Jazz-Pionier Jan Johansson. „In Ystad wartet immer etwas Neues auf mich, etwas, das ich zuvor noch niemals ausprobiert habe.“ So auch 2020, wobei das Schicksal hier wie so häufig im Jazz Regie führte. Eigentlich hatte sich Jan Lundgren auf eine Pianot-rio-Performance eingestellt. Doch als der Schlagzeuger wegen der Corona-Reisewarnungen absagen musste, sprang kurzfristig der französische Saxofon-Shootingstar Emile Parisien in die Bresche. Wieder ein völlig unkonventionelles Trio, wieder eine dieser unerwarteten Herausforderungen, die Lundgren so liebt. Einen Tag vor dem Konzert trafen er, Parisien und sein schwedi-scher Landsmann Lars Danielsson zum ersten Mal überhaupt aufeinander. Und schon nach kurzer Zeit spürten die drei bei der Probe, dass es wieder einer dieser Glücksfälle werden könnte. Lundgren spricht euphorisch von einer „Trinität, einer himmlischen Fügung!“ Im intimen Rahmen eines kleinen Konzertsaals, bei dem jeder Zuhörer unweigerlich in den Entstehungsprozess der Musik eingebunden ist, konnte sich der Zauber des neuen Trios erst richtig entfalten. „Im Jazz geht es immer um gute Melodien, prägnante Rhythmen und starke Kompositionen“, erklärt Lundgren. „Jeder bringt seine eigene Note ein, ausgehend von unseren völlig unterschiedlichen musikalischen Herkünften. Und das macht die Sache so spannend und aufregend. Wir genießen es, in die Welt des jeweils anderen einzutauchen und dabei neue Welten zu erschaffen.“
Als Basis für die gemeinsamen Exkurse verwenden Lundgren, Parisien und Danielsson eingängige Kompositionen, die sie lustvoll und nach allen Regeln der Improvisationskunst verzieren und mit kindlicher Freude entfalten. Der Opener „Glädjens Blomsters“ (Blumen der Freude) beispielsweise ist ein altes schwedisches Volkslied, das durch Emile Parisiens dunkles Soprano eine berührende melancholische Note erfährt. Lars Danielssons Hymne an seine Tochter „Asta“ lockt in einen Korridor voller harmonischer Schwingungen. Nicht die einzige Überraschung: Der Bassist eröffnet Parisiens „Préambule“ mit einem voluminö-sen, runden Intro, während das wärmende „I Do“, das Lundgren einst für ein Theaterstück schrieb, von den Musikern behutsam von innen illuminiert wird. Ganz im Stil eines romantischen Tastenvirtuosen führt der schwedische Pianist in „Schubertauster“ ein, eine Hommage auf Franz Schubert, die wiederrum der französische Akkordeonist Vincent Peirani als Komponist beisteuerte. Jan Lundgren besitzt einen Hund, eine niedliche Promenadenmischung zwischen Yorkshire Terrier und Chiwawa. Genauso vital und aufgekratzt klingt „A Dog Named Jazze“. Das Titelstück „Into The Night“ wirkt in seiner ganzen harmonischen Farbenpracht wie ein Soundtrack für den traditionellen schwedischen Midsommar. Zum Schluss hat Lars Danielsson noch eine Liebeserklärung an „Ystad“, dieses kleine, feine, stolze Jazzfestival, zu Notenpapier gebracht, das die drei mit großer Hingabe und Empathie in Töne gießen. Natürlich ging das Ystad Festival auch 2021 wieder über die Bühne, und zwar vom 4. bis 7. August. Auch diesmal haben Jan Lundgren, Emile Parisien und Lars Danielsson wieder ihre überbordende Musikalität, ihren reichen Erfahrungsschatz vereinen und ihr neues Triogefühl bis zur Neige ausgekostet. Er freue sich wie ein Kind, sagt Lundgren. „Ich bin so glücklich über diese Fügung, und dass wir den Faden wieder aufgreifen können, nach dieser langen, pandemiebedingten Pause. Für mich ist das wie eine zweite Chance!“
Credits:Recorded live in concert at Ystad Sweden Jazz Festival by Mattias Dalin (Eurosound AB), August 1, 2020 Mixed by Bo Savik, Jan Lundgren and Lars Danielsson at Tia Dia Studios, Mölnlycke, Sweden Mastered by Bo Savik Produced by Jan Lundgren & Lars Danielsson Executive Producer: Siggi Loch Cover art by Raimer Jochims, Chilandar II (1993-94)
Various Artists - Magic Moments 14 "In The Spirit Of Jazz"CD / digital„Mehr als jede andere Kunstform berührt Musik die Menschen unmittelbar,“ lautet das Credo von ACT-Gründer Siggi Loch. Seit fast 30 Jahren hat es sich das Label deshalb zur Aufgabe gemacht, die Künstler zu finden und zu fördern, die Geist, Herz und Seele besonders nachhaltig erreichen. Und vielleicht war dies nie wichtiger als jetzt, in Zeiten der Pandemie, des Verstummens der Kultur, der emotionalen Isolation und der virtuellen Realitäten.
„Magic Moments 14“ bündelt mit 16 Interpreten und Titeln aus dem aktuellen ACT-Programm die ganze Kraft der „Music in the Spirit of Jazz“, dieser universellen, für jeden verständlichen Weltsprache jenseits der Worte, die Menschen zusammenbringen, bewegen und begeistern kann. Und macht die Schwerpunkte des erklärten Entdeckerlabels ACT deutlich:
Schon immer lag der Fokus von ACT auf dem europäischen Jazz, der sich auf die eigenen Musiktraditionen besonnen, diese mit den amerikanischen Wurzeln verknüpft und damit neue Wege eröffnet hat. So beginnt „Magic Moments 14“ auch mit einem „Cancon des fuego fatuo“ des jungen spani-schen Pianisten Daniel Garcia, einer faszinierenden neuen Stimme des spanischen Jazz, der die Musik seiner Heimat neu aufgreift. Und mit dem umwerfenden Debüt der bekannten österreichischen Schauspielerin Birgit Minichmayr, die sich mit einem Shakespeare-Sonnet zusammen mit den Weltmusikern von Quadro Nuevo und dem Early-Jazz-Spezialisten Bernd Lhotzky als grandiose, moderne Jazz-Diseuse vorstellt. Weitere Beispiel für neue strahlende Sterne am europäischen Musikhimmel sind die französisch-algerische Cellistin und Sängerin Nesrine oder das neue Trio des österreichischen Pianisten David Helbock.
Nicht fehlen dürfen die, mit denen es angefangen hat und die ACT zum führenden Label für schwedischen Jazz gemacht haben: Posaunist Nils Landgren steuert einen neuen Streich seiner Funk Unit bei, mit der er dem schwarzen Soul-Jazz seit vielen Jahren ein europäisches Gesicht gegeben hat. Bassist Lars Danielsson zelebriert mit „Cloudland“ von seinem neuen Liberetto-Album wieder die Verbindung von Klassik, Jazz und Nordic Sound. Ida Sand knüpft an die Tradi-tion skandinavischer Sängerinnen an, die das Songbook der Welt mit ihrem Soul „in the Spirit of Jazz“ bereichern. Und zum Album-Abschluss untermauern Pianist Jan Lundgren und Lars Danielsson zusammen mit dem französischen Neu-definierer des Sopransaxofons Emile Parisien den Anspruch einer europäischer Kunstmusik mit schwedischem Akzent. Nicht zuletzt hat ACT als eines der ersten wichtigen Labels auch den aktuellen deutschen Jazz gefördert. Von der enormen Entwicklung zeugen auf „Magic Moments 14“ so viele Künstler wie nie: Der Passauer Violinist Florian Willeit-ner; der in der süddeutschen Szene kometenhaft aufgestiegene Gitarrist Philipp Schiepek; die alle Grenzen sprengende Band KUU! der – wie Minichmayr vor allem als Schauspiele-rin bekannten - Sängerin Jelena Kuljic; natürlich die Jazzrausch Bigband, die mit ihrem TechnoJazz weltweit aufhor-chen lassen, oder die neuen preisgekrönten Shootingstars am Klavier Johanna Summer und Vincent Meissner.
Summer und Meissner stehen, wie Garcia, Lundgren und Helbock, gleichzeitig für das besondere Augenmerk, das ACT immer auf die besten Pianisten Europas gelegt hat. Und so runden zwei andere die „Magic Moments 14“ ab, die zu-gleich die wohl international bedeutendsten sind: der 77-jährige, immer noch vor Tatendrang strotzende Joachim Kühn und sein legitimer Erbe Michael Wollny, hier in seinem neuen All-Star-Quartett XXXX mit Emile Parisien, Tim Lefebv-re und Christian Lillinger (soeben mit mehreren Deutschen Jazzpreisen dekoriert, darunter einer für KUU!) zu erleben. So ergibt „Magic Moments 14“ eine Quintessenz dessen, was genreüberschreitender, innovativer Jazz aktuell zu bieten hat. Ein mitreißendes, berührendes, Begegnung und Ge-spräch suchendes Heilmittel gegen die Geißeln unserer Zeit. Credits:
Compilation by Siggi Loch Mastered by Klaus Scheuermann
Wollny - Parisien - Lefebvre - Lillinger - XXXXCD / Vinyl / digital
Michael Wollny synthesizer, rhodes & piano Emile Parisien soprano saxophone Tim Lefebvre electric bass & electronics Christian Lillinger drums & percussion
Am Anfang steht nur ein Klang. Er bereitet die Bühne, bildet die Leinwand. Im Dezember 2019 wird Berlins Jazz-Wohnzimmer, das „A-Trane“, für acht Sets an vier Abenden zum Forschungsla-bor für vier Charakterköpfe der aktuellen improvisierten Musik: Piano-Grenzgänger Michael Wollny, Sopransaxofon-Neudenker Emile Parisien, E-Bass-Ikone Tim Lefebvre und Schlagzeug-Freigeist Christian Lillinger. Vier Unikate. Ein Treffen ohne Ab-sprachen, Kompositionen oder Arrangements.
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Das, was hier erklingt, lässt sich nicht in eine Kategorie fassen. 100% Neuland. Am ehesten kann man diese Musik greifbar machen, wenn man sie in ihre Bestandteile zerlegt. Michael Wollny, zum ersten Mal ausschließlich an elektronischen Tasteninstrumenten, der hier eine eigene Welt aus retro-futuristischen Sounds erzeugt. Eine Verneigung an den frühen Jean-Michel Jarre; Referenzen an Science-Fiction und Horror, und ein or-dentlicher Schuss avantgardistischer Krautrock à la „Can“, Irmin Schmidt und Klaus Schulze. Tim Lefebvre, Kollaborateur von Stars wie David Bowie, Tedeschi Trucks Band, John Mayer, Knower, Steely Dan, Elvis Costello oder Wayne Krantz. Ein Fels in der fiebrigen Brandung, der an Bass und Effekten die Musik vorantreibt, strukturiert, bändigt und gnadenlos zum Grooven bringt. Die Gegenpole: Das explosive, zugleich hochsensible Spiel von Drummer Christian Lillinger, der Schichten um Schichten von Rhythmen und Texturen stapelt. Und die federnden, mit unzähligen Melodien aufgeladenen und vor Energie berstenden Linien von Emile Parisien am Sopransaxofon, der wirkt, als würde er jeden Moment abheben und davonfliegen.
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Alle vier Musiker waren sich vor dem Treffen der Fallhöhe der Idee, der Verschiedenheit ihres musikalischen Vokabulars und dem damit verbundenen Risiko ihrer Begegnung bewusst. Eine Anspannung, die vielleicht eine Viertelstunde bedurfte, um sich zu lösen. An ihre Stelle tritt: Ein kollektiver Rausch. Die Neugier auf die nächste Wendung, den nächsten Impuls, den nächsten Schub. Das Schwelgen im Spannungsfeld zwischen dem Aufbauen von Formen, Linien, Grooves, Harmonien, Texturen und der die-bischen Freude daran, diese fragilen Gebilde ein paar Schritte später wieder einzureißen. 90ies, 80ies, 70ies, Beats und Pat-terns, cineastische Klangorgien. Vier Meister-Improvisatoren und Echtzeit-Komponisten, die die Regeln, welche in ihrer musikali-schen Welt gelten mit jeder Note neu verhandeln.
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Und so entstehen immer neue Instrumentarien und Collagen zwischen den Menschen und Maschinen auf der Bühne. Am Ende der Woche stehen gute acht Stunden Musik. Und der feste Ent-schluss, aus diesen Aufnahmen ein Album zu extrahieren, welches mehr ist, als ein Dokument einer Serie von Livekonzerten. Den zündenden Impuls für den Weg dahin liefert Tim Lefebvre: Im Februar 2020 treffen er und Michael Wollny in Atlanta auf den Produzenten und Toningenieur Jason Kingsland. Dieser ver-eint einen Background aus der Zusammenarbeit mit namhaften Indie Rock- & Pop- Künstlern mit einer Leidenschaft fürs Experiment. Die Herausforderung: Aus der Fülle der Möglichkeiten eines von vielen denkbaren Alben zu produzieren, das den Rausch und die Euphorie dieser vier Berliner Nächte in ein geschlossenes Ganzes bringt. Und so entsteht in mehreren Tagen und Nächten ein Destillat aus zehn, mit Blick auf die Ausgangsla-ge, überraschend kompakten Tracks. Eine Live-Aufnahme, die nach Studio klingt und doch Ton für Ton im Club improvisiert wurde. Ein Album voller Lust, Emotion, Witz und einer fast schon kindlich-naiven Freude am „Spielen“. Und nicht zuletzt: ein transatlantisches Quartett, wie es es im Moment nur einmal auf der Welt gibt.Credits:
Produced by Jason Kingsland, Michael Wollny , Tim Lefebvre Executive Producer: Andreas Brandis
Various Artists - Magic Moments 13CD / digitalBestes Jazzinfotainment: 16 Tracks, 75 Minuten Musik in the Spirit of Jazz, u.a. mit Nils Landgren & Jan Lundgren, Wolfgang Haffner,Ulf Wakenius, Solveig Slettahjell, Grégoire Maret, Vincent Peirani & Emile Parisien, Kadri Voorand, Viktoria Tolstoy, Jazzrausch Bigband.Credits:
Compilation by Siggi Loch Mastered by Klaus Scheuermann
Vincent Peirani - AbrazoCD / Vinyl / digital
Vincent Peirani accordion Emile Parisien soprano saxophone
Abrazo. Umarmung. Mal Engtanz, mal Nahkampf. Gibt es ein besseres Bild für das Duo von Akkordeonist Vincent Peirani und Sopransaxofonist Emile Parisien? „Es ist wie eine Ehe.“ sagt Peirani. „Am Anfang ist alles großartig, wunderbar, ein Paradies. Doch dann gibt es auch immer wieder Krisen, das ist ganz normal. Und jetzt gerade haben wir einfach eine riesen Lust, zusammen zu spielen.“ Es dürfte nur wenige Musiker geben, die einander so gut kennen, wie Peirani und Parisien. Mehr als 1000 Konzerte haben die Beiden in den letzten knapp zehn Jahren zusammen gespielt, über 600 davon im Duo. Kennengelernt haben sie einander 2012 im Quartett des Schlagzeugers Daniel Humair. Auf einer Koreatour spielten sie dann, recht spontan, ein erstes nächtliches Clubkonzert im Duo. Laut Peirani eine „catastrophe! total disastre!“. Doch schon kurz danach, ohne Jetlag und gut vorbereitet, machte es auf einem französischen Festival Klick und eine der wohl außergewöhnlichsten Formatio-nen des europäischen Jazz war geboren. Im Jahr 2014 erschien das erste gemeinsame Duoalbum „Belle Epoque“ auf ACT. Schnell ging es von da an über die wichtigsten Clubs und Festivals in Frankreich und Deutschland auf Tour in die ganze Welt - nach Asien, Lateinamerika, die USA, Kanada und ganz Europa. Und in weltbekannte klassische Häuser wie die Philharmonien in Berlin, Hamburg, Essen oder Wien. Auch internationale Preise wie der Echo Jazz, Les Victoires du Jazz, der Preis der deutschen Schallplattenkritik und zahlreiche Kritikerauszeichnungen führender Jazzmagazine ließen nicht lange auf sich warten.
„Belle Epoque“, das Debüt-Album des Duos, war eine Hommage an dem Sopransaxofonisten Sidney Bechet, einen der großen Stars des frühen Jazz der 1920er Jahre und Meister der Melodie. Fast sechs Jahre haben sich Peirani und Parisien Zeit genommen für den Nachfolger. Und auch „Abrazo“ ist eine Verneigung, allerdings nicht vor einer Person, sondern einer Kunstform: Dem Tango, seiner Eleganz, Melancholie und rhythmischen und melodischen Kraft. Und wie schon bei ihrem Duo-Debüt, spielen Peirani und Parisien nicht das Material der Vorlagen, sie spielen vielmehr MIT ihm.
Stücke aus der Feder von Meistern südamerikanischer Prägung wie Astor Piazzolla, Tomás Gubitsch oder Xavier Cugat bilden dabei nur einen Teil des Repertoires. Parisiens und Peiranis Eigenkompositionen bewegen sich im Geiste des Tango, ebenso wie das Arrangement von „Army Dreamers“ aus der Feder der von Peirani tief verehrten Kate Bush. Eine erstaunliche Brücke zum Vorgängeralbum schlägt der Eröffnungs-Titel „The Crave“ des US-amerikanischen Pianisten und Bandleaders Jelly Roll Morton – einem der einflussreichsten Jazzmusiker des frü-hen 20sten Jahrhunderts. Es scheint, als sei „Abrazo“, nach „Belle Epoque“, der zweite Teil einer Suite und tatsächlich greifen die beiden Alben, nacheinander gehört, verblüffend ineinander. Was all diese unterschiedlichen Elemente verbindet, ist die überdeutlich hörbare, tiefe Seelenverwandtschaft von Peirani und Parisien, die daraus resultierende Sensibilität im Zusammenspiel und ihre Ausnahmestellung als zwei der aktuell wichtigsten Innovatoren ihrer Instrumente. Irgendwas klickt hier auf ganz und gar magische Art. Und es scheint, als könnten die Zutaten für dieses traumwandlerische Zusammenspiel wirklich überall her kommen: Ganz gleich ob traditioneller oder moderner Jazz, freie Avantgarde, Klassik, Folklore, Rock, elektronische, Neue oder Alte Musik – der Hunger auf Neues, die Lust am Abenteuer scheint unersättlich. Es sind diese grenzenlose Neugier und der Drang, gemeinsam zu wachsen und immer neue Stufen zu erklimmen, die das Duo Peirani & Parisien zusammenschweißen und so einzigartig machen.Credits:
Recorded by Boris Darley at Studio Besco, December 19 – 22, 2019 Assisted by Léo Aubry & Loïc Colin Mixed by Boris Darley, Vincent Peirani and Emile Parisien at Studio Holy Oak Mastered by Klaus Scheuermann Produced by the artists The Art in Music: Cover Art by Thomas Scheibitz, Spieler (detail), 2019, ACT Art Collection
Emile Parisien - Double ScreeningCD / digital
Emile Parisien soprano & tenor sax Julien Touéry piano Ivan Gélugne bass Julien Loutelier drums Kaum ein Jazzmusiker bekommt derzeit in Europa so viel positive Resonanz wie der französische Sopransaxofonist Emile Parisien. Sein 2018 erschienener Konzertmitschnitt „Sfumato live in Marciac“ (CD und DVD) mit Joachim Kühn am Klavier sowie den Gästen Michel Portal, Vincent Peirani und Wynton Marsalis erntete Begeisterungsstürme: „Eine markante Stimme im zeitgenössischen Jazz“ nannte die ARD Parisien treffend. Arte Metropolis hört einen „Zauberer am Saxofon“, die britische Times „Europas führenden Sopransaxofonisten“ und für den Spiegel ist es ein „Vergnügen, Emile Parisien bei seiner großen Kunst zuzusehen.“ Der amerikanische Downbeat hielt es sogar für eine Untertreibung, Parisien auf den europäischen Jazz einzugrenzen, der Rolling Stone bescheinigte ihm, nicht nur der vielleicht beste Saxofonist seiner Generation zu sein, sondern auch eine der aktuell beeindruckendsten Bands zu leiten. Und immer so fort…
Es dürfte also nicht zu hoch gegriffen sein, Parisien als für sein Instrument stilbildenden Künstler zu bezeichnen: Seit Sidney Bechet, John Coltrane und Steve Lacy hat sich keiner mehr so innovativ und konsequent dem Sopransaxofon gewidmet. Keiner hat seither den vibratoreichen, schneidenden, exotischen Ton des Instruments mit derartiger Leichtigkeit vitalisiert, neu kalibriert und ins Zentrum neuer Konzepte gestellt. Parisiens neues, wieder im ursprünglichen Quartettformat aufgenommenes Album „Double Screening“ bündelt alle Qualitäten dieses Ausnahmemusikers. Unnachahmlich, wie Parisien hier den Jazz durchleuchtet: Er hinterfragt und erweitert, findet neue Antworten. Altes wird neu definiert und Visionäres lustvoll produziert. Darüber hinaus integriert Parisien auch Elemente seiner Heimat, kreiert einen furiosen Mix aus Chanson, zeitgenössischer ernster Musik, französischer und nordafrikanischer Folklore. Sein Spiel strahlt von improvisatorischer Dynamik und Originalität. Temposcharf und mit sich auf den Hörer übertragendem Nachdruck schichtet er die Ideen. Keine muss er überstrapazieren, weil er viel zu viele hat. Nie geht er den einfachen Weg, und doch haben die ausnahmslos von ihm oder den Bandmitgliedern stammenden Kompositionen mitreißende Energie, anspruchsvolle Spannungsbögen und verblüffende Stringenz. Organisierte Kurzweil ist das voller Finten und frappierender Wendungen. Die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation werden wegewischt. Man freut sich darüber, wie exzellent diese Band miteinander kommuniziert fern jeder Routine. Das ist frischer, lospreschender und origineller Jazz der Superlative.
Ein Instrumentalist von Gnaden ist Emile Parisien sowieso. Er muss das nicht vordergründig ausstellen. Wenn er hier mal in expressive Free Jazz-Bereiche vordringt, dann wieder vertrackte Melodielinien in Höchstgeschwindigkeit durcheilt, in komplexen Ideen schwelgerisch verweilt oder das Sopransaxofon ein Stück lang wie eine japanische Shakuhachi-Flöte klingen lässt, ist das ganz große Kunst im Dienste seiner Sache. Und doch geht es nicht um den Solisten, sondern um die Band, die traumwandlerisch zwischen Kompakt und Sensibel mal ruppig und im nächsten Moment wieder geschmeidig gemeinsam navigiert. Das ist genauestens gebaut und doch voller Räume für individuelle Spontaneität. Das ist neuer europäischer Jazz, der seine Traditionen kennt und von da zu Neuland aufbricht: furios, virtuos und in verblüffender Emotionalität. Credits:
Recorded and mixed by Philippe Teissier Du Cros at Studio Gil Evans de La Maison de la Culture, Amiens (France), December 2017 Mastered by Klaus Scheuermann
Magic Moments 1167 Minuten pures Hörvergnügen: Die elfte Ausgabe der beliebten Magic Moments bietet einen umfassenden Einblick in unsere neusten ACT-Veröffentlichungen mit Newcommern, ACT-Stars und echten Geheimtipps zum Sonderpreis. Unter anderem mit Michael Wollny, David Helbock, Vincent Peirani, Iiro Rantala, Joachim Kühn New Trio, Ida Sand, Lars Danielsson & Paolo Fresu und vielen mehr.Credits:Compilation by Siggi Loch Mastered by Klaus Scheuermann
Emile Parisien Quintet - Sfumato live in MarciacCD / DVD / digital
Emile Parisien soprano saxophone Joachim Kühn piano Manu Codjia guitar Simon Tailleu double bass Mário Costa drums Guests: Wynton Marsalis trumpet Vincent Peirani accordion Michel Portal clarinet Der französische Sopransaxofonist Emile Parisien zählt zu den aktuell meistbeachteten europäischen Jazzmusikern der letzten Jahre. Mit drei Alben in drei Jahren („Belle Epoque“ 2014 / „Spezial Snack“ 2015 / „Sfumato“ 2016) und im Alter von nur 35 Jahren hat sich Parisien in atemberaubendem Tempo an die Weltspitze seines Instruments gespielt und macht klar: Europa hat einen neuen Jazz-Star.2017 war DAS Jahr für Emile Parisien. Kein Jazzkünstler wurde in seinem Heimatland und auch über dessen Grenzen hinaus derart prominent ausgezeichnet, kaum ein europäischer Jazzmusiker spielte so häufig auf den großen Jazzfestivals und in den renommierten Konzertsälen. Und Parisien gilt inzwischen weithin als der wichtigste Innovator und prägnanteste Stilist des Sopransaxofons.Die Jazz thing brachte es auf den Punkt: „Wahnsinn, in welch kurzer Zeit sich Emile Parisien zu einem der einflussreichsten Musiker Frankreichs mauserte. ‚Sfumato‘ heißt das aktuelle Album des 34-Jährigen, der als Sopransaxofonist in seiner Generation weltweit keine Konkurrenz zu fürchten braucht. Das Werk wird seinen Donnerhall-Ruf noch weiter festigen.“ Und so kam es: Das französische Jazz Magazine und das deutsche Musikmagazin Stereo wählten die Aufnahme „Sfumato“ zum Album des Jahres. Kurz darauf erhielt Emile Parisien mit dem Victoires du Jazz, dem Jazz-Ableger des wichtigsten französischen Musikpreises, die Auszeichnung für das Album des Jahres. In Deutschland wurde er als bester Saxofonist des Jahres international mit dem ECHO Jazz ausgezeichnet. Und zum Jahresabschluss krönt das Jazz Magazine Emile Parisien zum Künstler 2017. Deutschlandfunk Kultur nannte ihn einen „Superstar der Jazzszene in Frankreich.“ Fono Forum konstatiert: „Emile Parisien ist ein Fackelträger, der seinen magischen Sound des Sopransaxofons weiterträgt – in der Nachfolge von Sidney Bechet, Johnny Hodges, Steve Lacy, John Coltrane, Wayne Shorter und Evan Parker.“ Der britische Guardian vergab extrem seltene fünf Sterne und schrieb über „Sfumato“: "An exhilarating genre-hop bubbling with captivating remakes of US and European jazz traditions. An exuberant album.“ Und das renommierte französische Magazin Télérama staunt: „Parisiens Einfallsreichtum und Energie sind schlicht atemberaubend.“ Auch live war 2017 für Emile Parisien der bisherige Höhepunkt seiner jungen Karriere. Er spielte an die 150 Konzerte, u.a. auf prominenten Festivals wie Jazz Sous Les Pommiers, Bergen Jazz Festival, Elbjazz, Jazz Baltica, Montreux Jazz Festival, Jazz a Vienne, Umbria Jazz, London Jazz Festival, Rheingau Musik Festival und in den renommiertesten klassischen Häusern wie Philharmonie Essen, Konzerthaus Wien, Elbphilharmonie oder Konzerthaus Berlin. Ein besonderes Highlight war die Residency bei Jazz in Marciac. Dort, wo Parisien einst als Zuschauer seine Begeisterung für den Jazz entdeckte, war er als Artist in Residence eingeladen. Unvergesslich und nun auf CD & DVD verewigt: Parisiens Sfumato-Konzert am 8. August 2017. Hier wurde sein Quintett um prominente Gäste erweitert: US-Trompetenstar Wynton Marsalis, die französische Jazzlegende Michel Portal und Parisiens Alter Ego und langjähriger Duopartner Vincent Peirani. Vielschichtig, innovativ und experimentierfreudig, spannungsgeladen und eruptiv, aber doch fest auf dem Boden des Jazz verankert, strotzt „Sfumato live in Marciac“ vor Spielwitz und Improvisationsabenteuern. Und ist somit ein eindringliches Plädoyer für die Magie des live gespielten Jazz.Credits:
Recorded live in concert by Nicolas Djemane at Jazz in Marciac on August 8th, 2017 Mixed by Boris Darley in April 2017 Mastering by Klaus Scheuermann Produced by Emile Parisien Video editing by Alice Fave & Nicolas Lecart Cameras: Florence Pradalier, Cedric Alliot, Ugo Gillino & Mathias Touzeris Audiovisual director: Jean Marc Birraux DVD authoring by Platin Media Productions Cover art by Chen Ruo Bing, untitled, 2016, ACT Art Collection
Michael Wollny - WartburgCD / Vinyl / digital
Michael Wollny piano Christian Weber double bass Eric Schaefer drums Emile Parisien soprano saxophone (08 - 11) Es sind 1283 Kilometer mit dem Auto von Oslo bis zur Wartburg vor den Toren Eisenachs. Die Strecke lässt sich aber auch ganz anders überwinden, zum Beispiel auf dem Sofa vor der Stereoanlage. Und wechselnde Landschaften ziehen trotzdem vorbei, nur diesmal vor dem inneren Auge. Dass und vor allem wie dem Pianisten Michael Wollny solch ein wahres Bravourstück gelungen ist, bedarf des Eintauchens in eine höchst erzählenswerte Geschichte des Jazz. Und einiger persönlicher Worte ihres Schöpfers. Vom 5. bis zum 7. September des vergangenen Jahres lud Produzent Siggi Loch Wollny, Bassist Christan Weber und Schlagzeuger Eric Schaefer ins Osloer Rainbow Studio ein, um ein neues Album des Trios aufzunehmen. Für den dritten Tag verabredete man sich mit dem von Geir Lysne geleiteten Norwegian Wind Ensemble, das sowohl ein Interesse an als auch die Fähigkeiten zur Improvisation jenseits des eigenen Genres hat: „Nach einigen künstlerisch sehr inspirierenden Live-Kooperationen wie zum Beispiel die Stummfilmmusik „Nosferatu“ war es schlicht ein Versuch, herauszufinden, ob und wie das mit uns im Studio funktioniert“ sagt Wollny. „Noch ein Würfel mehr am Spieltisch, den man in die Luft wirft.“ Was folgte, führte zu einem kleinen Dilemma. „Am Ende hatten wir ein im Grunde fertiges Album mit dem Trio und ein paar extrem unterschiedliche Takes mit den Norwegern, mal mit nur drei von ihnen, aber auch mit 28.“ Stellte sich also die Frage, wie das zu einem Album zu schnüren wäre. Stellt man 20 Minuten mit dem Ensemble als Versuchsergebnis auf einer zweiten CD dazu? Oder integriert man ein paar Stücke in das Album?
„Das ist es schließlich geworden“, so Wollny, „sie spielen mit bei der Ouvertüre, einem Zwischenspiel und schließlich einer skurrilen Coda als Bonustrack.“ Dafür musste das Trio sich absolut nicht von seinen Vorstellungen des neuen Albums verabschieden, eher im Gegenteil. „Schon anfangs gab es die Idee, das Trio-Album möglichst bunt ausfallen zu lassen“, erinnert sich Wollny, „gemäß auch dessen, was sich live in den letzten Jahren entwickelt hat. Und nun ist es noch farbiger geworden als gedacht, bereits am Anfang: es beginnt märchenhaft, wird dann funky, und dann balladesk. Drei Eingänge in die Musik. Und zusätzlich zu diesen Farben wird nun eben auch das Ensemble zum Teil des Kaleidoskops.“ Eine Woche später reiste das Trio nach Eisenach, um im Rittersaal der Wartburg ein Konzert anlässlich des 25. Jubiläums von ACT zu geben, zu welchem man den Saxophonisten Emile Parisien auf die Bühne geladen hatte. Er warf dort sein Können, ebenso wie das Norwegian Wind Ensemble, nur in homöopathischer Dosis auf die Waagschale. „Aber ’Wartburg’ war als Platte ja gar nicht geplant“, sagt Wollny, „deshalb haben wir auch nicht im Quartettformat gedacht, sondern Emile einfach als Gast für ein paar Stücke eingeladen.“ Und vor Ort mit schwierigen Bedingungen gekämpft: Bis 17 Uhr wurden Touristen durch die Burg geführt, erst danach konnte sich die Technik mit der recht speziellen Akustik des Saales befassen. Für eine Probe blieb keine Zeit, das Konzert begann schließlich um halb acht. Womit der Vorhang geöffnet und der Blick frei gegeben werden kann aufs Innerste von Wollnys Schaffen: Die Improvisation. Für Manche eine rätselhafte Technik, für manche Kollegen nur Behauptung zugunsten des eigenen Renommees, für ihn fast ein Lebensmotto. „Es stimmt“, lächelt Michael Wollny, „ich kann für mich schlecht lange vorausplanen. Es ist jedes Mal eine Herausforderung, dass man versucht, Situationen vorzubereiten, damit aus ihnen dann doch am Ende etwas Anderes wird. Ein bisschen schizophren eben.“ Für ihn sei der Moment, in dem es spannend wird, genau der, wenn die Improvisation beginne.„Das ist dann ein Prozess, den man im besten Falle selbst gar nicht so richtig versteht. Warum passiert jetzt gerade dies oder das? Tja. Für mich geht das inzwischen weit über die Musik hinaus. Zuviel Planung lähmt den Prozess. Das Geheimnis liegt für mich immer darin, auf Momente reagieren zu können.“ Womit das Geheimnis Improvisation dem „normalen“ Hörer vielleicht noch nicht ganz klar erklärt ist, aber selbst das gelingt Wollny: „Ich tue das mal über die Sprache“ leitet er ein. „Wir beide reden hier jetzt nicht über nichts, sondern haben ein Thema, aber mit welchen Worten wir das am Ende getan haben werden und in welchen grammatikalischen Wendungen, das wissen wir erst hinterher. Wir entscheiden erst in der Sekunde, da wir zu sprechen beginnen, und vielleicht ergeben sich aus den Reaktionen des Gegenübers wieder ganz andere, neue Formate. Das ist auch in der Musik so. Es gibt vielleicht eine verabredete Melodie, einen Rhythmus, aber danach hängt fast Alles von unberechenbaren Faktoren ab.“ So unberechenbar wie jener Vorschlag seines für mutige Ideen nicht eben unbekannten Produzenten Siggi Loch, doch die norwegischen Sessions und das Konzert auf Luthers Fluchtburg zeitgleich als zwei unabhängige Alben zu veröffentlichen. Wollny nickt: „Ich war erstmal völlig baff. Ich hätte nie mit diesem Vorschlag gerechnet, sondern habe mir nur Gedanken darüber gemacht, wie wir jetzt aus diesem Fundus von Aufnahmen etwas auswählen sollen, das auch miteinander funktioniert.“ Inzwischen aber finde er das doch sehr schlüssig, weil es den Weg der Band durch die letzten Jahre spiegele. „Wir schmissen ständig neue Sachen in die Luft, und wenn man das fotografisch hätte darstellen wollen, dann wären es eben zwei Bilder geworden, mindestens. Eines jedenfalls wäre schlicht überfrachtet gewesen. Auf jedem der beiden Alben arbeiten wir jetzt mit dem einerseits und andererseits zugleich, und nun lässt sich die Formel auch noch auf beide Alben anwenden.“Dafür, dass nur eine gute Woche zwischen den Aufnahmen liegt, sind die überraschend unterschiedlich geworden. Was nicht zuletzt an den zwei Orten ihres Entstehens liegt, die sich weder klanglich, noch atmosphärisch vergleichen lassen. „Im Studio arbeitet man zudem an einzelnen Stücken“, so Wollny, „die erst später in die jetzige Reihenfolge gebracht werden, im Konzert dagegen geht es eher darum, in einem großen Fluss zu erzählen.“Und das klingt dann eben auch anders. Um einen gastronomischen Vergleich zu wagen: „Oslo“ ist wie eine leichte, behutsam aufgeschlagene und mit sanfter Raffinesse gewürzte Suppe der vielen Farben, auf der „Wartburg“ hat man ihr noch etwas Butter und Sahne beigefügt und eines jener exotischen Gewürze, dessen Namen immer keinem einfallen will. Michael Wollny gibt zum Finale noch einen Ratschlag mit: „Es ist ja tatsächlich so, dass es sogar harmonisch Sinn ergibt, beide Alben hintereinander zu hören.“ Freilich in der richtigen Reihenfolge: „Das Studioalbum endet mit einer Frage, auf die die ersten Takte des Konzertmitschnitts eine Antwort geben. Und die - übrigens völlig ungeplante - Klammer ist das erste Stück von ’Oslo’ und das letzte Stück von ’Wartburg’.“ Und schlägt den Bogen nach fast romantischen Albumtiteln wie „Wunderkammer“, „Weltentraum“ und „Nachtfahrten“ nun von „Oslo“ zur „Wartburg“. Und zurück.Credits:
Recorded live in concert by Adrian von Ripka Rittersaal, Wartburg on September 15, 2017 Mixed and mastered by Adrian von Ripka, December 2017 Produced by Siggi Loch Cover art by Manfred Bockelmann
Various Artists - The Jubilee ConcertsCD / digitalVarious ArtistsWenn 34 Künstler in den verschiedensten und teilweise noch nicht dagewesenen Konstellationen zusammenkommen, um miteinander zu musizieren, dann braucht es dafür eine verbindende Gesinnung, die die Musik im Innersten zusammenhält: Grenzen nicht zu akzeptieren, offen und neugierig sein für den Anderen, Mut zum Risiko und sich auf das Unerwartete einlassen sowie die Lust, Neues entdecken zu wollen. All dies zeichnet die ACT-Musikerfamilie aus, die aus allen Teilen Europas zu den Jubilee Concerts in Berlin zusammenkam, um ihrem Label zum 25. Geburtstag einen selbstgestalteten Konzerttag zu schenken und damit Danke zu sagen. Ganz nebenbei machten die Jubilee Concerts hautnah erlebbar, wofür ACT seit 1992 steht: Als führendes Entdeckerlabel auf der Suche nach bisher ungehörter Musik „in the Spirit of Jazz“ sind es die Vielfalt und die ungeahnten Verbindungen, mit denen das Label immer wieder überrascht und daraus neue Inspirationen zieht – connecting the unexpected.
Wer das Glück hatte, noch Karten für die große Geburtstagsfeier im Konzerthaus Berlin zu ergattern, der wird den Abend nicht vergessen. Denn es ging ihm vermutlich nicht anders als den zahlreich anwesenden Medienvertretern, die zum Jubiläum vor Ort waren: „Was für ein ACT!“ titelte zum Beispiel „Spiegel Online“ und befand, es seien „Konstellationen zustande gekommen, bei denen jedem, dem Jazz am Herzen liegt, nicht mehr bange um die Zukunft des Genres sein muss.“ „Le Figaro“ schrieb: „Kurz: Es war Jazz in all seinen Formen“, das britische Jazzwise Magazin meinte: „Alles deutete auf ein Label in seinem Zenit, das Neues umarmt, während es das Alte achtet, beides nährt und so Stars aufbaut; ACT wird erwachsen – mit einem Lächeln im Gesicht und einer stolzen Pose.“ Und die FAZ schließlich stellte fest: „Die ACT Family Band war ein Allstar-Ensemble, wie es so bald kein zweites in der Jazzgeschichte geben wird.“
Wer dieses Familientreffen der besonderen Art live verpasst hat, kann es jetzt immerhin auf CD nachhören. Er kann in einem für den „Spirit of Jazz“ der ACT-Künstler typischen Aus-und Querschnitt nachvollziehen, wie ACT mit bislang gut 500 Alben ein Viertel der Jazzgeschichte begleitet und in Teilen mitgeprägt hat: Ist doch jeder der hier beteiligten Musiker ein Ausnahmetalent mit herausragenden solistischen Qualitäten und eigenen Projekten, zugleich aber aufgeschlossen für die Inspiration, die sich aus der Begegnung mit seinen Kollegen ergibt.
Auf dieses Netzwerk der ACT-Künstlerfamilie legte Labelchef Siggi Loch von Anfang an großen Wert, und welchen Gewinn das einbringt, zeigt „The Jubilee Concerts“: Alles, was Nils Landgren, als integrales Zentralgestirn der europäischen Jazzszene, so etwas wie der ACT-Mannschaftskapitän, als Moderator präsentierte, war außergewöhnlich, angefangen mit seinem humorvoll-melancholischen Entree „Send In The Clowns“ zusammen mit Michael Wollny. Ob nun Jung und Alt auf verblüffende Weise miteinander kommunizierten wie der große deutsche Pianist Joachim Kühn mit dem französischen Shootingstar am Sopransaxofon Emile Parisien (der Name des Kühn-Titels, den das Duo darbot, „Missing A Page“, trifft sehr schön den von Noten unbelasteten, von musikalischer Freiheit durchdrungenen Ansatz der beiden); ob die Bassisten Dieter Ilg und Lars Danielsson im Duo miteinander spielten und jede Emotion freilegten, die man mit ihrem Instrument erregen kann; ob ein in wechselnden Kombinationen bestens eingespieltes Ensemble wie das Quintett mit Landgren, Wollny, Danielsson, dem Gitarristen Ulf Wakenius und Schlagzeuger Wolfgang Haffner mit „Walk Tall“ gospeligen Groove zelebrierte; oder ob mit Wollny, Parisien, dem Akkordeonisten Vincent Peirani und dem Stimmakrobaten Andreas Schaerer vier der herausragenden „jungen Wilden“ Europas die überkommenen Stil- und Genregrenzen über den Haufen warfen.
Berührender Höhepunkt ist „Dodge The Dodo“, einer jener Standards des „Great European Songbooks“, die der unvergessene, viel zu früh gestorbene Esbjörn Svensson geschrieben hat: Brillieren bei dieser Hommage doch unter anderem nicht nur Iiro Rantala am Flügel, der polnische Geiger Adam Bałdych und der jüngste ACT-Zuwachs Magnus Lindgren an der Flöte, sondern auch die beiden Söhne Svenssons, Noa am Schlagzeug und Ruben an der Gitarre. Ein Symbol für die nächste Jazzgeneration und eine nicht zu übertreffende Einleitung für das große Finale, bei dem alle mitsangen und -spielten: Denn da stimmte Ida Sand mit ihrer grandiosen Soul-Stimme jenen Nile Rodgers-Titel an, der den Kern des Abends wie der 25 Jahre, die es zu feiern galt, perfekt einfing: „We Are Family“. Oder wie es Nils Landgren formuliert: „Wir sind eine Familie. Nicht einfach irgendeine Familie. Wir sind die ACT-Familie!“Credits:
Live at Konzerthaus Berlin, April 2, 2017 Recorded, mixed and mastered by Klaus Scheuermann Curated by Siggi Loch An ACT Music concert production in cooperation with Konzerthaus Berlin
Andreas Schaerer - Out Of LandCD / digital
Emile Parisien soprano saxophone Vincent Peirani accordion Andreas Schaerer voice & mouth percussion Michael Wollny piano Eine Supergroup des europäischen Jazz - so darf man das Quartett wohl nennen, in dem sich der Schweizer Sänger Andreas Schaerer, der deutsche Pianist Michael Wollny, der französische Akkordeonist Vincent Peirani und sein Landsmann am Sopransaxofon, Emile Parisien, zusammengefunden haben. Alleine zwölf ECHO Jazz Awards vereinigen sie auf sich und in ihren Heimatländern haben sie nahezu jede wichtige Auszeichnung erringen können. Mit dem Live-Album „Out of Land“ beweisen sie nun gemeinsam, dass sie an der Spitze der Jazzgeneration zwischen 30 und 40 Jahren stehen: weil sie die Möglichkeiten ihres Instruments neu definieren und die Grenzen des Jazz erweitern.
Peirani ist das Bindeglied dieses aus musikalisch Gleichberechtigten bestehenden Gipfeltreffens, hat er doch mit den drei anderen schon gespielt und sie nun hier zusammengeführt. Parisien ist ohnehin ein Seelenverwandter und nahezu unzertrennlicher Weggefährte Peiranis. Mit Wollny hat der Akkordeonist schon im Trio seines „Thrill Box“-ACT-Debüts gespielt und im Duo „Tandem“ geht er mit ihm „eine hinreißende Liaison von bezaubernder Musikalität“ (Der Tagesspiegel) ein. Schaerer schließlich hatte Peirani vor zwei Jahren kennengelernt, als er bei einem „Hildegard Lernt Fliegen“ Konzert in Paris als Special Guest auf die Bühne kam. Obwohl gewünscht, ergab sich aber seither aus Zeitnot keine weitere Zusammenarbeit. Bis Schaerer jetzt Einladungen mit einer Carte blanche nach Budapest und Bern erhielt, bei denen er endlich Peirani ins Spiel brachte. Der wiederum Parisien und Wollny dazu holte…
Wie aber das Kind nennen? Schaerer schickte Peirani eine Liste mit Titelvorschlägen für das Projekt, darunter auch das offene „Out of…“. „Vincent antwortete mit ,Out of Land’, und das war es dann“, erinnert sich Schaerer. Klang dies doch nach der idealen Umschreibung für das Verlassen des sicheren Terrains, für etwas, von dem man noch nicht genau weiß, wie es wird. Denn das war Teil des Konzepts: offen zu bleiben, für die Ideen der anderen und sich die Spannung des im Moment Musizierens zu erhalten. Ohne Vorbereitungen wurden drei Tage geprobt, um dann gemeinsam auf die Konzertbühne zu gehen. Was Schaerer so erklärt: „Es ist einfach ein Traum, eine fast spirituelle Form des Musizierens, wenn man musikalisch spontan auf seine inneren Visionen eingehen und sie transparent kommunizieren kann. Und diese Musiker können es!“
Was mit Andreas Schaerer beginnt, einem der größten Improvisatoren unter den aktiven Jazzsängern. Er ist ein genialer Stimmartist, der sein Organ in den verschiedensten Lagen und Stilen erklingen lassen kann. Und einer, der auch alle denkbaren Geräusche erzeugen und allerlei Instrumente bis hin zum Schlagzeug imitieren kann.
Die bisherige Krönung seiner Karriere war wohl das im Herbst 2015 beim Luzern Festival uraufgeführte und stürmisch bejubelte Werk „The Big Wig“ für ein 66-köpfiges Symphonieorchester, dessen Mitschnitt zugleich sein ACT-Debüt markiert. Obwohl einige Jahre jünger, kann der 36-jährige, aus Nizza stammende Akkordeonist Vincent Peirani gut mithalten. Auch er hat in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Auszeichnungen vom „Prix Django Reinhardt“ über die „Victoires du Jazz“ bis zum ECHO Jazz erhalten und ist zum Aushängeschild des jungen französischen Jazz geworden. Was er Knopfakkordeon und Akkordina entlockt, hat man so noch nicht gehört. Wie Schaerer schöpft auch er in seinen Projekten aus den unterschiedlichsten Genres - von Jazz, Chanson und Weltmusik über Klassik bis hin zu Heavy Rock. Peiranis Bruder im Geiste ist Emile Parisien, nicht nur, weil auch er frei über disparates Material von Wagner bis zum Hip-Hop improvisieren kann. Wie Schaerer den Gesang und Peirani das Akkordeon, so hat auch er sein Instrument technisch wie kompositorisch in neue Sphären geführt. Was man auch für das Klavierspiel von Michael Wollny behaupten kann. Ob im Duo mit dem Saxofon-Veteranen und Albert-Mangelsdorff-Weggefährten Heinz Sauer oder im eigenen Trio, mit seinem immer fantasievollen, stets überraschenden Spiel ist das „Jahrhunderttalent“ (Süddeutsche Zeitung) in die sehr kleine Riege deutscher Jazzer mit internationaler Reputation vorgestoßen.
Ihre zum Teil erstmalige Begegnung auf „Out of Land“ (Wollny und Schaerer hatten vorher noch nie miteinander gespielt) präsentiert sich nun voll unbändiger Energie. „Wir haben uns an vieles, was wir in den Proben besprochen hatten, auf der Bühne nicht gehalten, bewusst!“, erklärt Schaerer, „weil die Musik im Moment einfach etwas anderes gewollt hat. Mit dieser Band geht das, da fängt man einfach das Fliegen an.“ Und schon beim Einstieg mit Peiranis „Air Song“ darf man mitfliegen, so stark ist die emotionale Kraft dieser melodiebetonten Miniatur. Überwaltigende Dynamik und Rhythmik prägt dann das ebenfalls von Peirani stammende „B&H“. Eine überbordende Lust am Klangexperiment ist Wollnys „Kabinett V“. Besonders eindrucksvoll ist die gemeinsame kreative Infusion bei Schaerers „Rezeusler“: Das ursprünglich auf der Grundlage einer Sextett-Uptempo-Nummer als Ballade für Orchester komponierte Stück wird hier zu einer völlig neu klingenden Quartett-Suite. Nacheinander umkreisen erst Peiranis Akkordeon, Schaerers Stimme und Wollnys Klavier impressionistisch und sphärisch das Thema, bevor alle vier ins herzergreifende Finale einstimmen. Mit dem fast 14 Minuten langen, alles quasi wie bei einer Jam Session bündelnden „Ukuhamba“ verabschieden sich diese vier Erzmusikanten. Von einem Gipfeltreffen, das ein schwer zu übertreffendes Plädoyer ist für die Faszination der Improvisation und für die Kraft des live gespielten Jazz.
Various Artists - Twenty Five Magic Years - The Jubilee AlbumCD / Vinyl / digitalEs ist nun exakt 25 Jahre her, dass Siggi Loch ernst damit machte, „nützlich statt wichtig zu sein“, wie er in seiner Autobiographie schrieb: Nach einer beispiellosen Karriere als Manager und Produzent im internationalen Musikbusiness gründete er sein eigenes, unabhängiges Jazz-Label: ACT. Von Anfang an ging es ihm um eine Plattform für Musiker, die ihr Publikum unmittelbar berühren, begeistern und erobern können, die die ausgetretenen Pfade verlassen, Risiken eingehen und so ihre eigene Musik „in the Spirit of Jazz“ machen. 25 Jahre und über 500 Veröffentlichungen später darf dieser Anspruch als erfüllt gelten: ACT hat als „the discovery label“ Jazzgeschichte mitgeschrieben, seine Musikerfamilie besteht aus führenden Persönlichkeiten des Jazz.
Auch für das „Jubilee Album“ zur Feier dieses stolzen Jubiläums begnügt sich ACT nicht mit dem Erwartbaren. Bis auf drei Stücke, die gewissermaßen als „Signature Songs“ der ACT-Philosophie gelten können, sind alle Tracks bislang unveröffentlicht, einige davon wurden extra für diesen Anlass in wechselnder „Allstar-Besetzung“ in den Berliner Hansa-Studios eingespielt. So ergibt sich eine neu formulierte Quersumme der Herz, Seele und Geist gleichermaßen bewegenden Musik, für die ACT steht: ein Kaleidoskop magisch-musikalischer Momente seiner für alle Genres und Stile offenen Künstler.
Nicht zufällig geht es mit dem Beatles-Stück „Come Together“ los, interpretiert von Nils Landgren, Ulf Wakenius und Lars Danielsson. Folgt es doch der Tradition des Jazz, sich Vorlagen aus anderen Gefilden improvisierend anzueignen, die ganze ungeahnte Vielfalt der Musik zu nutzen – getreu dem ACT-Motto: „Connecting the unexpected“. Das Trio, dass dies hier umsetzt, steht auch für eine andere Spezialität: Ist ACT doch der wichtigste Exporteur des schwedischen Jazz in die Welt. Landgren, seit 1995 exklusiver ACT-Artist und mittlerweile der erfolgreichste Label-Künstler, zeigt sich auf dem „Jubilee Album“ mit Nat Adderleys „Walk Tall“ auch von seiner funkigen Seite. Und Wakenius‘ Hommage „Paco’s Delight“ an die Flamenco-Ikone Paco de Lucía wird im Duo mit seinem Sohn Eric zur Familiensache. Über die fruchtbare Schweden-Connection fand auch Viktoria Tolstoy den Weg zu ACT, die auf dem Jubiläumsalbum unverwechselbar bittersüß „Monologue“ ihres früheren Begleiters Esbjörn Svensson singt.
Natürlich ist es auch kein Zufall, dass das Album mit Svenssons „Prelude in D Minor“ endet, war er mit seinem Trio e.s.t. doch bis zu seinem tragischen Unfalltod 2008 der wohl wichtigste Neuerer des europäischen Jazz. Das Solopianostück ist das einzige Vermächtnis eines geplanten, aber leider unvollendeten Soloalbums. Auch der e.s.t.-Klassiker „Dodge The Dodo“ unterstreicht die große Strahlkraft des verstorbenen schwedischen Masterminds, den hier ein Quartett mit dem polnischen Geiger Adam Bałdych, dem finnischen Pianisten Iiro Rantala und dem Flötisten Magnus Lindgren mit Wucht und Finesse zu Gehör bringt.
Neben Svensson, Bałdych und Rantala ist auch der norwegische Saxofonist Marius Neset mit „Prag Ballet“ ein herausragendes Beispiel für den „Sound of Europe“, dem ACT ebenfalls von Anfang an ein Dach gegeben hat. Und dieses Engagement mit wachsendem Erfolg fortsetzt, wie „B&H“ beweist, eine Live-Aufnahme der brandneuen Kombination der neuen französischen Jazzstars Vincent Peirani und Emile Parisien mit dem einmaligen Schweizer Vokalartisten Andreas Schaerer sowie dem „vollkommenen Klaviermeister“ (FAZ), Michael Wollny.
Als einer der wenigen deutschen Jazzer hat das Jahrhunderttalent Wollny den Sprung ins internationale Rampenlicht geschafft. Auf dem „Jubilee Album“ ist er in zwei weiteren Konstellationen vertreten: Im explosiven Duo „Swing, Swing, Swing“ mit Deutschlands bedeutendstem Schlagzeuger Wolfgang Haffner, repräsentiert Wollny die ACT-Politik, nie die heimischen Talente zu vergessen. Das live in der Berliner Philharmonie aufgenommene Duo mit Iiro Rantala („White Moon“), steht zugleich für die ACT-Mission, der Welt aufstrebende Jazzpianisten vorzustellen. Schließlich darf auch die „ganz große Kunst eines wahren Stimmwunders“ (Vogue) auf der Geburtstagszusammenstellung nicht fehlen: Youn Sun Nahs „Bitter Ballad“.
Das „Jubilee-Album“ ist Rückschau und Ausblick in einem. Es zeigt anhand von herausragenden Kompositionen und Künstlern, dass ACT ein verlässlicher Kompass für neue, aufregende Musik „in the Spirit of Jazz“ war, ist und bleiben wird.Credits:Curated by Siggi Loch Mastered by Klaus Scheuermann Cover art by Jiri Geller, SMILE!, 2016 @ ACT Art Collection
Emile Parisien Quartet vereint kreativen Jazz voller Bewegung und Überraschungen – dynamisch, unvorhersehbar und mit spielerischer Freude an musikalischer Freiheit.
17,50 €*
Konzerte
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