Kaum ein junger europäischer Jazzmusiker sorgte in den letzten Jahren international für mehr Aufsehen und schier ungläubiges Staunen bei Presse und Publikum, als der norwegische Saxofonist Marius Neset.
Wer seine gefeierten Auftritten auf dem Jazzfest Berlin, der Jazzwoche Burghausen, dem JazzBaltica Festival (im Duo mit MIchael Wollny) und zuletzt in der Kölner Philharmonie erlebte, stellte erstaunt fest: „Was Marius Neset am Saxofon macht, ist nichts anderes als der Schritt in eine neue Dimension dieses Instruments“ (Süddeutsche Zeitung).
Davon sind auch britische Medien überzeugt. Der Telegraph spricht von einem „Wunder“. Der Guardian zählt Neset zu den aktuell größten Entdeckungen des Jazz, mit „der Kraft eines Michael Breckers und der Raffinesse eines Jan Garbarek“.
Marius Neset - CabaretCD / Vinyl / digital
Marius Neset tenor and soprano saxophones EWI
Elliot Galvin keyboards
Magnus Hjorth piano
Conor Chaplin electric bass
Anton Eger drums, percussion
Cabaret: Musik, Tanz, schräge Späße, viel Glitzer und jede Menge Überraschungen. So weit, so bekannt. Das Album „Cabaret“ des norwegischen Saxofonisten und Komponisten Marius Neset nimmt die Zuhörer:innen mit in eine Welt atemberaubend breit gefächerter musikalischer Vorstellungskraft. Und auch wenn Neset nach vielbeachteten orchestralen Werken hier wieder zur kleinen Besetzung zurückkehrt, meint man stets, mehr als nur fünf Musikern zuzuhören. Wie schon auf dem Album „Happy“ von 2022 besteht Maris Nesets Quintett aus Elliot Galvin (Keyboards), Magnus Hjorth (Piano), Conor Chaplin (E-Bass) und Anton Eger (Drums & Percussion). Auf „Happy“ spielten die Musiker erstmals in dieser Konstellation zusammen. Inzwischen sind sie eine erfahrene Working Band: „Wir haben viele Konzerte gespielt und wie sich diese Band in dieser Zeit entwickelt hat, ist für mich schlicht einzigartig“, rekapituliert Marius Neset. Nach Veröffentlichungen mit der „London Sinfonietta“ (inklusive Auftritt in der Royal Albert Hall bei den “BBC Proms”), einer Solo-Saxophon-Platte und einer Duo-Suite mit dem klassischen Klavierstar Leif Ove Andsnes ist das Quintett für Marius Neset „wie Nachhausekommen“. Gleichzeitig ging es auf „Cabaret“ darum, die musikalischen Möglichkeiten dieser Besetzung noch tiefer auszuloten.Die fünf Musiker trafen sich in der malerischen Abgelegenheit des norwegischen „Ocean Sound Studios“, in welchem Marius Neset 2015 bereits sein Album „Pinball“ aufnahm. Und wie damals brachte Marius Neset Musik mit zur Session, bei der „jede einzelne Note genau für diese besonderen Musiker komponiert wurde“. Auch in der kleinen Besetzung denkt der Komponist Marius Neset in orchestraler Bandbreite. Die Kombination von gleich zwei Musikern an Tasteninstrumenten, dem zumeist auf die Melodie fokussierten Magnus Hjorth am akustischen Piano und Elliot Galvin an elektrischen Keyboards eröffnet „enorme Möglichkeiten“. Die neuen Stücke erweitern auch die rhythmische Umgebung und steigern die Herausforderungen an Bassist Conor Chaplin und Schlagzeuger Anton Eger (Neset: „der hingebungsvollste Musiker, den ich je traf“), der so viel Energie in die Musik einspeist, dass man damit eine Kleinstadt erleuchten könnte. Besonders deutlich wird dies im Stück mit dem rätselhaften Titel ‘Hyp3rsonic Cabar3t’. Die Ziffern verweisen auf einen 33/8 Beat, welcher dem Stück eine hypnotische Wirkung verleiht.Die Verbindung aus herausragenden Musikern und Nesets nie versiegendem Strom kompositorischer Ideen war die perfekte Basis für eine denkwürdige Zeit im Studio. „Cabaret ist das konzeptionellste Album, das ich je gemacht habe,“ sagt Neset. „Wenn man so etwas zusammenstellt, muss man ständig Entscheidungen treffen. Das ist wirklich fordernd“. Ein aufwändiger Prozess mit beeindruckendem Resultat. Nesets dichte, komplexe, dynamische Musik ist eine Achterbahnfahrt aus enorm kontrastreichen Songs. Viele Einflüsse klingen an, unter anderem Joe Zawinuls melodische und strukturelle Eigenarten und Spuren des koboldhaften Humors von Nesets früherem Mentor Django Bates. Aber unterm Strich bietet „Cabaret“ Neset pur, vom kompositorischen Detail bis zum virtuosen Saxophonspiel auf Tenor und Sopran bei dem melodisches Gespür auf ein Maß an technischem Können trifft, durch das es Neset mit jedem Spieler dieser Welt aufnehmen kann.Es steckt so viel unterschiedliche Musik in „Cabaret“ - vom verrückten Tanz der beiden Eröffnungsstücke, über den coolen Lyrismus von „Song for Maja“, den Überschwang der „Midsummer Beats“, bis zur Weite von „The Ocean“, der Energie von „Quantum Dance“ und der Wehmut von „Forgotten Ballet“. Das folkloristische „Wedding In Geiranger”, geschrieben für Nesets eigene Verlobung im letzten Sommer, schließt den Reigen. „Cabaret“ ist eine ereignisreiche und dramatische Reise, an deren Ende der Hörer mit Sicherheit gleich wieder neu starten möchte.Credits:Produced by Marius Neset & Anton Eger
All music composed and arranged by Marius Neset, except #4 and #9 – composed by Marius Neset & Anton Eger
Recorded by Henning Svoren at Ocean Sound, Giske in September 2024, mixed by August Wanngren at VirkelighedenMastered by Sofia von Hage and Thomas Eberger at Stockholm Mastering
Marius Neset - GeyserCD / digital
Marius Neset tenor and soprano saxophones
Ivo Neame piano
Jim Hart vibraphone/marimba/percussion
Conor Chaplin double bass
Anton Eger drums
London Sinfonietta conducted by Geoffrey Paterson "Geyser nimmt uns mit auf eine aufregende Reise
voller eruptiver Energie und Momenten von atemberaubender Poesie". Mit diesen Worten bereitete BBC Radio 3 die
Zuhörenden auf die Übertragung der Premiere von "Geyser" aus der
Londoner Royal Albert Hall vor. Die BBC Proms, eines der renommiertesten und
größten klassischen Musikfestivals der Welt, hatten den norwegischen
Saxofonisten und Komponisten Marius Neset mit einer Auftragskomposition für die
Saison 2022 betraut - für dessen Quintett und das renommierte 19-köpfige
Orchester „London Sinfonietta“.
Die
Entstehungsgeschichte von Geyser ist turbulent und zeugt von Marius Nesets
Aufrichtigkeit als Mensch und als Musiker.
Dieser hatte
ursprünglich die Arbeit an einem äußerst optimistischen Werk begonnen. Doch
dies änderte sich mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine schlagartig.
"Ich hatte bereits einen Großteil des Stücks geschrieben, konnte es unter
diesen Umständen aber nicht zu Ende bringen.“ erinnert sich Neset. „Als ich
schließlich wieder zu komponieren begann, war es unmöglich, dort weiterzumachen,
wo ich aufgehört hatte." Neset sagt, er habe vieles von dem, was er
geschrieben hatte, "demontiert" und dunklere Farben in die Musik
eingebracht. Der finale Ausbruch des Geysirs im letzten Satz
"Outbreak" ist weiterhin von ekstatischer Schönheit, aber der Weg
dorthin hatte sich gegenüber Nesets ursprünglicher Idee vollkommen verändert.
Der
Titel „Geyser“ ist für Marius Neset "eine Metapher für die der Musik
zugrunde liegende Energie, die wie eine heiße
Quelle unmerklich unter der Oberfläche brodelt und in plötzlichen Ausbrüchen
freigesetzt wird". Diesen Kontrast musikalisch abzubilden, war für alle
Mitwirkenden eine große Herausforderung. Die
Cellistin Zoë Martlew erinnert sich: „Die Poesie und Emotionalität, die in den
großen Themen des Werks stecken, werden durch wirklich verrückte, unglaublich
komplexe Rhythmen ausgeglichen. Es erfordert 100%ige Konzentration und Energie, um
hier an Bord zu bleiben."
Es sind diese Kontraste, die Marius Neset auch
persönlich ausmachen. Zoë Martlew: "Marius ist ein sanftmütiger,
unglaublich freundlicher Mensch, der zugleich vollkommen von der Musik besessen
ist. Auf der einen Seite ist da eine tiefe Ernsthaftigkeit, auf der anderen
Seite eine Art jungenhafter Verspieltheit und Freude. Sein Spiel am Saxofon ist
unglaublich inspirierend, voller wilder Intensität, die sich in den
außergewöhnlichen Musikern in seiner Band fortsetzt. Wir alle waren begeistert
von der treibenden Kraft des verrückten Genies Anton Eger am Schlagzeug, der
Raffinesse von Ivo Neames wunderbar moduliertem Pianospiel und von Conor
Chaplins felsenfestem Bass."
"Geyser"
markiert einen wichtigen Schritt in Marius Nesets kompositorischer Entwicklung,
was der Geiger Thomas Gould, Leiter der London Sinfonietta bei der Uraufführung
von "Geyser", treffend zum Ausdruck bringt: "Mit diesem Stück
zementiert Neset seinen Ruf als einer der originellsten und wichtigsten
kompositorischen Stimmen seiner Zeit, jenseits aller Genres. Geyser ist für jeden einzelnen Spieler auf der Bühne
teuflisch schwierig. Doch die Musik ist trotz
ihrer enormen Komplexität für das Publikum sofort verständlich. Nesets Gespür
für Aufbau und Symmetrie, das an klassische Musik erinnert, ermöglichen es, den
Bogen des Stücks intuitiv zu erfassen." Und Dirigent Geoffrey Patterson
stellt besonders Nesets tiefes Verständnis für die Stärken des Orchesters
heraus: "Ich war so froh, dass wir uns nie wie eine Begleitband gefühlt
haben. Hier
war wirklich jedes einzelne Ensemblemitglied enorm gefordert. Und
die furchterregende Schwierigkeit von Marius' Komposition zeigt, wieviel Können
und Virtuosität er dem Orchester zutraut."
Der Kompositionsauftrag der BBC Proms mit seiner über
100-jährigen Geschichte und die Uraufführung in der Royal Albert Hall, einem
der berühmtesten Konzerthäuser der Welt, markieren einen Höhepunkt in der
ohnehin schon beeindruckenden Laufbahn Marius Nesets. Und sie zeigen
eindrucksvoll, welchen Stellenwert Werke mit Jazz-DNA in der Welt der
zeitgenössischen Musik einnehmen können, wenn Talent, Können und Wille zusammenkommen.Credits:
Comissioned by BBC Radio 3 and first performed by the Marius Neset Quintet with the London Sinfonietta on 3rd September 2022 at the Royal Albert Hall, London, as part of BBC Proms 2022
Music composed, arranged and produced by Marius Neset Mastered by Thomas Eberger, Stockholm Mastering
Nils Landgren - 3 GenerationsCD / Vinyl / digital
Nils Landgren with Joachim Kühn, Michael Wollny, Iiro Rantala, Lars Danielsson, Cæcilie Norby, Viktoria Tolstoy, Wolfgang Haffner, Ulf Wakenius, Jan Lundgren, Ida Sand, Youn Sun Nah, Vincent Peirani, Emile Parisien, David Helbock, Marius Neset, Nesrine, Julian & Roman Wasserfuhr, Anna Gréta, Johanna Summer, Jakob Manz, and many more
We are Family – 30 Jahre ACT
Der Schwede Nils Landgren war und ist das Rückgrat der ACT Familie. Vierzig Alben als Leader und weitere zwanzig als Produzent und Solist sind bisher auf dem Label erschienen. Michael Wollny, der mit Landgren durch viele gemeinsame Projekte verbunden ist, bringt dessen Künstlerpersönlichkeit und eines der entscheidenden Geheimnisse seines Erfolgs auf den Punkt: „Mit Nils wird alles leicht.“ Diese ansteckende Leichtigkeit, welche sich durch das ganze Tun von Mr. Red Horn zieht, ist umso bemerkenswerter, wenn man resümiert, wie viele Rollen er ausübt: Posaunist, Sänger, Bandleader, Produzent, Festival-Leiter, Talent Scout, Professor, Kurator und Mentor. All diese Rollen und damit verbundenen Qualitäten kommen auf „3 Generations“ parallel zum Tragen: Zusammen mit ACT-Gründer und Produzent Siggi Loch bringt Landgren, anlässlich des 30-jährigen Label-Jubiläums, drei Generationen von ACT-Künstler*innen in verschiedenen Besetzungen zusammen. Die Freundschaft und Zusammenarbeit von Landgren und Loch währt fast schon so lange wie das Bestehen von ACT. Im Jahr 1994, nur zwei Jahre nach Gründung, begegneten sich die beiden erstmals auf dem Jazz Baltica Festival. Kurz darauf wurde Landgren exklusiver ACT-Künstler. Über sein Netzwerk kamen in der Folge Künstler*innen wie Esbjörn Svensson, Viktoria Tolstoy, Rigmor Gustafsson, Ida Sand, Wolfgang Haffner und viele mehr zum Label. Die Rolle als Vertrauter und Integrationsfigur für ACT hat Landgren bis heute inne. Das finden und fördern junger Talente war und ist eine Kernkompetenz von ACT. Das galt für Nils Landgren, oder später auch für Michael Wollny, der 2005 zum Label kam und heute zu den wichtigsten Pianisten Europas zählt. Mit Künstler*innen wie Johanna Summer und Jakob Manz, beide noch nicht geboren als ACT gegründet wurde, blickt das Label in die Zukunft, mit einer neuen Generation von Musikern, die der Jazzwelt neue Impulse geben. Die britische Times schrieb: „Seit 1992 hat ACT eine eigene ‘Europäische Union‘ der Musik formiert, die die Freizügigkeit zwischen Nationalitäten und Genres fördert und so einen authentischen Eindruck davon vermittelt, was diesen Kontinent ausmacht.“ An die vierzig Künstler und Künstlerinnen aus dem Kreis der ACT Family untermauern auf „3 Generations“ diese Aussage und machen das Jubiläumsalbum zu einer Feier der Bandbreite, Offenheit und integrativen Kraft des Jazz. Im Mittelpunkt stehen Aufnahmen einer mehrtägigen Studio-Session im Sommer 2022, wie sie wohl nur Nils Landgren und Siggi Loch auf die Beine stellen können. Ein musikalischer Streifzug quer durch Europa, mit Einflüssen aus Jazz, populären Songs, Folk, klassischen Elementen, zeitgenössischer Musik und vielem mehr. Drei Musikergenerationen dokumentieren auf dreißig Stücken dreißig Jahre ACT mit Nils Landgren als Spiritus Rector. Nicht nur eine Retrospektive, sondern vor allem ein Blick in das Heute und Morgen des Entdecker-Labels “in the Spirit of Jazz”.Credits:
Recorded by Thomas Schöttl at Jazzanova Studio, Berlin on June 7 - 9, 2022, assisted by José Victor Torell – except as otherwise indicated Mixed and mastered by Klaus Scheuermann Produced by Siggi Loch and Nils Landgren The Art in Music: Cover Art by Yinka Shonibare CBE: Detail from Creatures of the Mappa Mundi, Mandragora, 2018
Marius Neset - HappyCD / Vinyl / digital
Marius Neset tenor and soprano saxophones
Elliot Galvin keyboards
Magnus Hjorth piano
Conor Chaplin electric bass
Anton Eger drums & percussion
Große Musiker waren oft ihrer Zeit voraus. Vielleicht ist der Saxofonist Marius Neset deshalb zwar einer der von Kritik und Fachwelt am meisten gefeierten europäischen Jazzer, aber noch kein „Volksheld“: Zu verblüffend, komplex, ja visionär ist bislang die Musik des Mannes, der laut Süddeutscher Zeitung sein Instrument „in eine neue Dimension“ katapultiert und es in der Zusammenarbeit mit herausragenden Orchestern wie zuletzt der London Sinfonietta in eine Führungsrolle im sinfonischen Kontext geführt hat. Nesets Einladung am 3. September 2022 zu den BBC Proms, eines der weltweit bedeutendsten Klassikfestivals in der ehrwürdigen Londoner Royal Albert Hall, bestätigt seinen Ausnahmestatus.
Mit seinem neuen Album könnte seine Popularität freilich wachsen: Zieht er doch auf „Happy“ erstmals den Pop, Soul und Funk der Siebziger- und Achtzigerjahre in seine Welt: „Die im Titel steckende ‚Message‘ dieses Albums ist sehr einfach, aber dafür auch sehr stark“, sagt Neset. „Wir hatten bei der Aufnahme des Albums wirklich eine gute Zeit. Eine Woche im Studio, Tag und Nacht, alle waren enthusiastisch. Der lange Entstehungsprozess hat sich da einfach in glückliche Momente aufgelöst.“ Neset gibt zu, dass er bei seinen Kompositionen früher oft von den dunklen Seiten des Weltgeschehens beeinflusst wurde. Angesichts der vielen aktuellen Krisen entschied er sich diesmal, etwas dagegen zu setzten. „Happy Music“ also, aber ohne freilich seine eigene musikalische DNA zu verleugnen oder aufzugeben. Schon der Titeltrack, mit dem das Album auch beginnt, lässt den Hörer ebenso beglückt wie vollständig überwältigt und durchgeschüttelt zurück - wie man das von Marius Neset gewohnt ist. Wie ein Hurricane fegt dieses „Happy“ zitatenreich (man mag Stevie Wonder oder Cool & The Gang ebenso heraushören wie David Sanborn oder gar Michel Legrand, wenn man nur will), tempogeladen und bestens gelaunt, aber auch voller überraschender Wendungen und Stilbrüche durch die Gehörgänge. Auftakt zu einem Album, das Marius Neset von einigen neuen Seiten kennenlernen lässt: „Einige Stücks sind rhythmisch sehr experimentell, obwohl sie explizit vom normalerweise einfachen Soul inspiriert sind,“ erzählt Neset. „Auch der Einsatz von Keyboards und ihren Sounds war neu für mich. Das führt fast zurück zu ‚Golden Explosion‘, meinem Albumdebüt.“ Auf „Wildlife“ greift Neset deutlich auf Afrobeats und auch westafrikanische High-Life- Sound-Elemente zurück - ein ursprünglich für ein klassisches Orchester komponiertes Stück, das nun ideal zur beabsichtigten „neuen Heiterkeit“ passte. „A Hand to Hold“ dagegen ist eine ganz klassische, ruhige Ballade, wie man sie so puristisch von Neset noch nicht gehört hat. Als jemand, der bei seinem Saxofonspiel für seine Dynamik, Geschwindigkeit und Wucht bekannt ist, wollte er diesmal ausdrücklich auch „soft“ spielen. „Diamonds“ schließlich arbeitet vor allem mit elektronisch erzeugten sphärischen Klängen. Neue Sounds also, für die Neset auch neue Mitstreiter bemühte. Bei seiner Rückkehr zum geliebten Quintett – nachdem er lange bevorzugt für großen Besetzungen und zuletzt erstmals nur für sich solo geschrieben hatte – blieb Schlagzeuger Anton Eger die einzige Konstante, der Mann, der wie kein anderer in der Lage ist, den explosiven rhythmischen Ideen Nesets zu folgen. Mit dem schwedischen Pianisten Magnus Hjorth kehrt ein alter Bekannter aus Nesets Anfängen zurück: Er war 2005 der erste Pianist im Trio Phronesis, aus dem Neset später seine Begleiter rekrutierte. Ganz neu ist die britische Komponente in Nesets Quintett: „Ich wollte einen E-Bassisten und einen Keyboarder für das Projekt. Conor Chaplin hatte ich schon bei einigen Auftritten kennengelernt, seinen Sound am Bass hatte ich schon beim Komponieren vor Augen, er war sehr frisch und inspirierend für mich. Und von Elliot Galvin hatte ich natürlich schon viel Gutes gehört. Ich dachte mir, dass er mit seiner unkonventionellen Art perfekt dazu passt. Und zum Glück war er meiner Meinung. Ganz entscheidend für das Album ist die Balance, die Magnus am Flügel und Elliot am Keyboard für ihre völlig unterschiedlichen musikalischen Naturelle gefunden haben. Die Chemie zwischen ihnen hat sofort gestimmt, und ich bin immer noch begeistert davon, wie sich ihre Gegensätze ergänzen.“
Genauso viel Wert legte Neset dann auf den Bogen, den das Album schlagen sollte. Und so geht es nach dem Groove-gesättigten Einstieg und dem Ausflug nach Afrika wieder auf neue Wege, in noch unerhörte Weiten und Welten. Den Schalter legt das Stück „The Unknown“ um, bei dem sich Neset vor allem von György Ligeti beeinflussen ließ, wie er zugibt. Neben dem verwegenen, wilden und gerne melancholischen Marius Neset ist nun also auch ein „klassischer“, sanfter und heiterer zu erleben. Eine Entwicklung, die wieder einmal begeistert und ihm sicher neue Fans bescheren wird. Credits:
Produced by Marius Neset & Anton Eger
Marius Neset - A New DawnCD / digitalMarius Neset saxophone„Was Marius Neset am Saxofon macht, ist nichts anderes als der Schritt in eine neue Dimension dieses Instruments“ (Süddeutsche Zeitung). Seine überragenden spieltechnischen Fähigkeiten und eine begnadete Improvisationskunst alleine reichen aber nicht aus, um die musikalische Welt des Norwegers zu ergründen, denn Neset ist auch ein geistreicher Komponist und Arrangeur. All dies macht ihn zu einer kompletten Musikerpersönlichkeit und laut des amerikanischen Downbeat zu einer der „aufregendsten Künstler der Jazzwelt“. Ob im Jazzquintett, Big-Band-Format oder mit Kammerorchester, immer wieder vermag es der “Wizard from Os” (Jazznyt, Neset wurde in Os / Hordaland geboren) seine Zuhörer zu überraschen. Auf „A New Dawn“ hört man Marius Neset nun in Reinform, ganz auf sich allein gestellt, im Dialog mit sich selbst: Saxofon solo. Kompositorische Strukturen werden improvisierend in die Freiheit entlassen. Bedachtsam lotet Neset die klanglichen Möglichkeiten seines Instruments aus. Töne schweben oder tanzen rhythmisch, mal verdichtet Neset, mal gibt er Raum. Sein Saxofon singt, sinniert oder plaudert laut. So entstehen neun Miniatu-ren von ganz unterschiedlichem Charakter.
„A New Dawn“ ist ein sehr persönliches Album geworden, aufgenommen in der Einsamkeit der Corona-Pandemie. Keine Leistungsschau, sondern Neset wagt eine tiefgründige künstlerische Begegnung mit seinem inneren Selbst. Und ist schließlich damit Ausdruck der schieren Freude am Musizieren…Credits:
All music composed and arranged by Marius Neset Recorded and mixed by Daniel Wold at OSLO:Fuzz in January 2021 Mastered by Klaus Scheuermann Produced by Marius Neset The Art in Music: Artwork by Rune Mortensen
Marius Neset - TributesCD / digital
Marius Neset tenor & soprano saxophone Danish Radio Big Band, conducted by Miho Hazama
Der europäische Jazz wird im Jazz-Mutterland USA nach wie vor eher am Rande zur Kenntnis genommen. Wenn also der norwegische Saxofonist Marius Neset von „Downbeat“, der wich-tigsten amerikanischen Jazz-Zeitschrift, in die Liste der „25 for the future“, also in die kleine Riege der zukunftsweisenden Musiker aufgenommen wird, ist das etwas Besonderes. Ausdruck dafür, dass Nesets überragenden Fähigkeiten weltweit bemerkt werden. Nicht nur seine einzigartige Virtuosität, sondern auch seine kompositorische Vision. Neset versteht es, aus einfachen Ideen große Bögen zu schlagen, die vor Komplexität, Spannung und Überraschungen bersten. So wie zuletzt mit seinem Quintett bei „Circle of Chimes“, wo das Glockengeläut einer Kirche die Struktur eines ganzen Albums vorgab. Ob in kleinerer oder in großer Besetzung, „ich will mit meinen Stücken immer die ganze Fülle ihrer Möglichkeiten herausholen“, sagt Neset. Kein Wunder, dass die fortschrittlichsten und besten Jazzorchester sich um ihn reißen.
Nach der Zusammenarbeit mit dem Trondheim Jazz Orchestra und mehrfach mit der London Sinfonietta ist beim neuen Album „Tributes“ nun die Danish Radio Bigband das Werkzeug seiner umwerfenden Klangideen. Die Aufnahme war zugleich auch die letzte Chance auf ein Heimspiel: Seit 2003 lebte Neset in Kopenhagen - wo eben auch die DR Bigband zu Hause ist -, bevor er 2019 mit seiner jungen Familie zurück nach Norwegen ging. Veränderung und Wandel, vor allem im ganz persönlichen Bereich, lieferten denn auch Inspiration und Impuls für die „Tribu-tes“ dieses Albums, dessen acht Stücke mit vier grundsätzlichen thematischen Ideen „sich aufeinander beziehen und eine zwangs-läufige Reihenfolge ergeben,“ wie Neset erklärt. „Man kann ihren Ablauf nicht umstellen.“
Das zweiteilige „Bicycle Town“ macht als Hommage an die Fahrradstadt Kopenhagen den Anfang. „Ich bin hier immer geradelt. Und einmal ist mir dabei diese rhythmische und melo-dische Idee gekommen, die mir als musikalisches Äquivalent erschien. Das habe ich dann mit dem Orchester ausgebaut.“ Und wie: Bei dieser gleichzeitig so komplexen wie wuchtig-eingängigen Fahrt kann man sich vor dem geistigen Auge perfekt vorstellen, wie ein einzelner Radfahrer in Schwung kommt, auf ganz unterschiedlichen Verkehr trifft, dann von immer mehr Gleichgesinnten begleitet wird, bis ein vielgestaltiger Fluss von Radlern zu einem regelrechten Orga-nismus anwächst, der am Ende - musikalisch in ein Marsch-Motiv auslaufend – über die Schwerkraft triumphiert. Eine von Nesets orgiastischem Saxofon angetriebene Tour de force, die zugleich ein würdiges Abschiedsgeschenk an seine langjährige Wahlheimat ist. Nahtlos ergeben sich daraus die nächsten Stücke. Zunächst das Kernstück des Albums „Tribute“, bei dem es Neset in kaum mehr als fünf Minuten schafft, seine wesentlichen musikalischen Einflüsse zu verarbeiten, von Grieg über Mahler bis zu Queen. In einem einzigen Melodiethema lässt er zum Beispiel völlig natürlich den Anklang an den zweiten Satz von Beethovens Siebter in Brad Mehldau’sche Neoromantik und schließlich in den Saxophon-Duktus eines Wayne Shorter übergehen. Mit „Farewell“ und „Leaving the Dock“ folgen Stücke, die seinen Abschied aus Kopenhagen verarbeiten, mit der für Neset typischen Kombination von hymnischen Melodien und rasanten, extrem pulsierenden Metren. Schließlich gipfelt Nesets magische, unwiderstehliche Verspieltheit im dreiteiligen „Childrens Day“, das den noch viel zu wenig beachteten Ehrentag der Kinder feiert. „Es ist der Teil des Albums, den ich zuerst komponiert habe, aber er ist der perfekte Ausklang“, sagt Neset. Schon, weil er dabei seinen Neffen vor Augen hatte, es nun aber auch wie ein Vermächtnis für das inzwischen geborene eigene Kind klingt.An dem überwältigenden Eindruck, den „Tributes“ hinterlässt, hat auch die in New York lebende Japanerin Miho Hazama großen Anteil. Mit 33 sogar noch zwei Jahre jünger als Neset arbeitete sie schon mit vielen der besten Jazzorchestern der Welt, leitete zuletzt das Metropole Orkest und ist seit 2019 die Chefdirigentin der DR Big Band. Auch sie ist bei Downbeat unter den „25 for the future“ gelistet. „Sie steuerte bei einigen Stücken wichtige Einfälle bei und führte das Orchester zur Höchstleitung“, erinnert sich Neset voller Begeisterung. Wenn es also die Kategorie auch für Alben gäbe, dann müsste auch „Tributes“ zu den „25 for the future“ gehören. Credits:
Music composed and arranged by Marius Neset Produced by Marius Neset Recorded by Morten BuDchert at DR Studio 3, Copenhagen, March 2019. Assistant recording engineer: Ossian Ryner Mixed by August Wanngren at Virkeligheden Mastered by Thomas Eberger at Stockholm Mastering
Marius Neset - ViaductCD / digital
Marius Neset tenor & soprano saxophones Ivo Neame piano Jim Hart vibraphone, marimba & percussion Petter Eldh double bass Anton Eger drums & percussion London Sinfonietta conducted by Geoffrey Paterson In seiner gut Karriere hat der norwegische Saxophonist Marius Neset kontinuierlich beweisen, dass er zu den spieltechnisch virtuosesten und kompositorisch kreativsten und innovativsten Musikern überhaupt gehört. Er hat sein Publikum als spektakulärer Solist überzeugt, zuletzt vor allem mit seinem Quintett berauscht, aber auch schon mit großer Besetzung begeistert. Fast immer geht es ihm um die bedeutungsstiftenden Kombinationen verschiedener musikalischer Motive, Elemente, ja Welten. Kein Wunder also, dass Neset von den verschiedensten Institutionen Kompositionsaufträge erteilt werden. So ist das letzte Album „Circle of Chimes“ aus einem von der Kölner Philharmonie bestellten Neujahrskonzert hervorgegangen. Und auch das neue namens „Viaduct“ hat seine Wurzeln in einer Auftrags-komposition: für das Eröffnungskonzert des Kongsberg Jazzfestival in Norwegen 2018.
Natürlich ist Nesets gefeiertes Quintett wieder die Basis für das Projekt. „Als ich darum gebeten wurde, wusste ich vom Fleck weg, dass ich es mit Anton Eger am Schlagzeug, Ivo Neame am Klavier, Jim Hart an Vibra- und Marimbaphon sowie Petter Eldh am Bass machen wollte. Wir sind nach den vielen Jahren einfach so miteinander verbunden,“ erzählt Neset. Jeder, der diese Band einmal, zum Beispiel mit „Circle of Chimes“, live gehört hat, weiß, was Neset mit dieser Verbundenheit meint: Es ist tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend, zu welchem intuitiv aufeinander reagierenden Organismus diese Fünf verschmelzen können, und das bei höchstem Tempo und technischen Höchstschwierigkeiten. „Es war großartig, noch einmal die Chance zu bekommen, für so ein herausragendes Ensemble zu komponieren“, sagt Neset. „Als ich ,Viaduct‘ zu schreiben begann, hatte ich ein weißes Blatt Papier vor mir, auf dem elf Noten standen. Diese elf Noten wurden zum grundlegenden Thema für alle Teile des gesamten Stücks. Das war eine aufregende Beschränkung im besten Sinne.“„Viaduct“ teilt sich in zwei jeweils etwa 30-minutige Hälften auf. Die erste ist fast schon sinfonisch ganz aufs Orchester fokussiert, die zweite lebt viel mehr vom Interplay des Quintetts un-tereinander wie mit dem Orchester. „Alles ist relativ stark durchkomponiert, für jede einzelne Stimme“, erklärt Neset. „Ich habe ein Jahr lang daran geschrieben und war währenddessen vor allem von klassischen Komponisten beeinflusst, von Olivier Messiaen, Strawinsky, Bartók oder Mahler, aber auch von Joe Zawinul. Ich denke, es ist eine Mischung aus improvisierter Musik und zeitgenössischer Moderner Klassik. Jeffrey Patterson, der Dirigent der London Sinfonietta war bei der Umsetzung eine große Hilfe. Er hat ein unglaubliches Verständnis für solche außergewöhnlichen Grenzgänge.“ Auch mit „Viaduct“ gelingt Neset wieder ein Spannungsbogen, wie ihn nur ganz wenige zu schlagen verstehen. Harmonische Auflösung ist dabei diesmal sein Rezept. Was atonal und mit aggressiven Streichern beginnt, wird Zug um Zug harmonischer, weicher, bedeutungsvoller. Eine zunehmend faszinierende, berührende Reise vom schroffen Bergwerk der Töne bis zur fast reinen Schönheit des Klangs. Eine Reise, die jeden, der sich hier vom einen zum anderen hinüber führen lässt – „Viaduct“ bedeutet im Lateinischen ja Überführung - , erst fasziniert, dann berührt und am Ende beglückt.Credits:
All music composed and arranged by Marius Neset Produced by Marius Neset Recorded by Jon Bailey at AIR Studios, London, 19th and 20th December, 2018. Assistant recording engineer: Laurence Anslow. Mixed by August Wanngren at Virkeligheden Mastered by Thomas Eberger at Stockholm Mastering
Marius Neset - Circle of ChimesCD / digital
Marius Neset tenor & soprano saxophones Lionel Loueke guitar & vocals Andreas Brantelid cello Ingrid Neset flute, piccolo & alto flute Ivo Neame piano Jim Hart vibraphone, marimba & percussion Petter Eldh double bass Anton Eger drums & percussion
Der Saxofonist Marius Neset hält, was andere versprechen: nicht nur der „kommende Mann des skandinavischen Jazz“ (The Observer), sondern auch – als einziger Europäer – einer von 25 Hoffnungsträgern für die Zukunft des internationalen Jazz zu sein, wie der amerikanische Downbeat feststellte. Seit seinem ACT Debüt „Lion“ mit dem Trondheim Jazz Orchestra im Jahre 2014 überrascht Neset mit immer neuen Facetten. Auf „Circle of Chimes“ bringt der 1986 geborene Norweger all diese Erfahrungen zusammen und führt sie in eine neue Dimension.
Nach dem Big Band-Projekt „Lion“ folgten ein Jahr später im Quintett mit „Pinball“ „hochkünstlerisch geordnete Klanggebärden voller Lust und Drive“ (FAZ), darauf im letzten Herbst mit „Snowmelt“ dann ein furioser Dialog zwischen Jazzquartett und Kammerorchester. Für das Album mit der London Sinfonietta gewann er im Juni in der Kategorie „Best Large Ensemble“ den ECHO Jazz. Mehr noch, gleichzeitig war er bei zwei weiteren ECHO Jazz prämierten Alben beteiligt: als Solist der „e.s.t. Symphony“ und im Trio mit Lars Danielsson und Morten Lund spielte er „Sun Blowing“ ein. Wenig später, beim Polar Music Prize, dem wichtigsten skandinavischen Musikpreis, beeindruckte Neset niemand Geringeren als Wayne Shorter mit der Interpretation eines seiner Stücke tief.
Marius Neset ist der europäische Jazzmusiker der Stunde und mit seinem neuen Album „Circle of Chimes“ dürfte seine Reputation noch steigen. Es ist ein weiteres Beispiel für seinen enormen Erfindungsgeist und sein überragendes Spielvermögen, aber auch Ausdruck einer neuen Abgeklärtheit. „Ich lege heute mehr Wert auf die Melodien“, sagt Neset selbst, „und sie sind minimalistischer, lassen mehr Platz für Improvisation und Freiheit, gleichzeitig aber sehr ausarrangiert. Das Komplexe fällt nur nicht mehr so auf.“ Die Entstehungsgeschichte von „Circle of Chimes“ belegt das. Dem Album liegt ein Kompositionsauftrag der Kölner Philharmonie für ein Neujahrskonzert zugrunde. Als Neset sich zum Komponieren an den Flügel setzte, kam er auf jenes Glockenspiel-artige Motiv, mit dem „Circle of Chimes“ in „Satellite“ beginnt und in „Eclipse“ auch wieder ausklingt. „Ganz einfache Akkorde und Harmonien, man mag es pathetisch nennen, aber es fühlte sich für mich nach Neujahr an. Und aus den Glocken hat sich ein rhythmisches Pattern ergeben. Ich denke nicht, dass man es hören kann, aber dieses Pattern prägt das ganze Album.“
Von der Besetzung her knüpft „Circle of Chimes“ an „Pinball“ an: Wieder bildet das gefeierte Quintett mit Petter Eldh am Kontrabass, Anton Eger an Schlagzeug und Ivo Neame am Piano sowie Jim Hart an Vibrafon, Marimba und Perkussion das Rückgrat. „Wir spielen seit Jahren intensiv zusammen, um jetzt mit ,Circle of Chimes‘ einen Schritt weiter zugehen“, sagt Neset. Und wieder sorgten bei einigen Stücken der Cellist Andreas Brantelid und Nesets Flöte spielende Schwester Ingrid für klassische Elemente und instrumentale Variabilität. Dazu kommt nun noch der Star-Gitarrist Lionel Loueke, vor allem bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Herbie Hancock. „Ich habe in den vergangenen Jahren sehr oft mit ihm gespielt, und wollte unbedingt seine Gitarre und auch seinen Gesang als zusätzliche Farbe“, berichtet Neset. So findet sich nun auch ein starkes afrikanisches Element, zum Beispiel bei „Star“ mit flirrender Highlife-Rhythmik und afrikanischen Scat-Gesang.
Was natürlich nur eine Zutat ist in diesem opulenten Menü, das Marius Neset und seine kongenialen Begleiter servieren. „A New Resolution“ etwa ist eine von Klavier und Saxofon getragene, hochvirtuose Funk-Studie; „Prague‘s Ballet“ eine von Streicherklängen und Nesets Sopransaxofon dominierte Ballade, die übrigens nichts mit Prag zu tun hat: Der spielerisch leichte Tanz entstand nach dem Hören von Mozart ganz schnell, und zwar „in dem Raum am ‚Prague‘s Boulevard‘ in Kopenhagen, in dem die meisten meiner Kompositionen entstehen.“ „Sirens of Cologne“ hingegen zollt der Rolle Kölns bei der Entstehungsgeschichte von „Circle of Chimes“ Tribut: Ein zirzensisches Stück, das – unbewusst, wie Neset zugibt – das karnevalistische Treiben der Stadt einfängt. Bei „1994“ ließ sich Neset von der Erinnerung als Neunjähriger an die Olympischen Spiele in diesem Jahr inspirieren, mit einem eigenwilligen Shuffle, der nordische Folksongs aufnimmt. „Life Goes On“ schließlich demonstriert perfekt, wie Neset einer starken Melodie auch die vertracktesten Notierungen („es ist vielleicht das Schnellste, das ich je komponiert habe“) bezwingend einfach klingen lassen kann.
Ein mitreißender, bezaubernder und Geist wie Gemüt anregender „Reigen aus Glockenklang“, der Marius Neset nicht nur als Mann der Zukunft, sondern auch als herausragende Größe der Gegenwart etabliert. Credits:
All music composed and arranged by Marius Neset Produced by Marius Neset Co-produced by Anton Eger Recorded by August Wanngren at The Village Studios, Copenhagen, 2nd - 4th January 2016 Mixed by August Wanngren at Virkeligheden Mastered by Thomas Eberger at Stockholm Mastering
Various Artists - Twenty Five Magic Years - The Jubilee AlbumCD / Vinyl / digitalEs ist nun exakt 25 Jahre her, dass Siggi Loch ernst damit machte, „nützlich statt wichtig zu sein“, wie er in seiner Autobiographie schrieb: Nach einer beispiellosen Karriere als Manager und Produzent im internationalen Musikbusiness gründete er sein eigenes, unabhängiges Jazz-Label: ACT. Von Anfang an ging es ihm um eine Plattform für Musiker, die ihr Publikum unmittelbar berühren, begeistern und erobern können, die die ausgetretenen Pfade verlassen, Risiken eingehen und so ihre eigene Musik „in the Spirit of Jazz“ machen. 25 Jahre und über 500 Veröffentlichungen später darf dieser Anspruch als erfüllt gelten: ACT hat als „the discovery label“ Jazzgeschichte mitgeschrieben, seine Musikerfamilie besteht aus führenden Persönlichkeiten des Jazz.
Auch für das „Jubilee Album“ zur Feier dieses stolzen Jubiläums begnügt sich ACT nicht mit dem Erwartbaren. Bis auf drei Stücke, die gewissermaßen als „Signature Songs“ der ACT-Philosophie gelten können, sind alle Tracks bislang unveröffentlicht, einige davon wurden extra für diesen Anlass in wechselnder „Allstar-Besetzung“ in den Berliner Hansa-Studios eingespielt. So ergibt sich eine neu formulierte Quersumme der Herz, Seele und Geist gleichermaßen bewegenden Musik, für die ACT steht: ein Kaleidoskop magisch-musikalischer Momente seiner für alle Genres und Stile offenen Künstler.
Nicht zufällig geht es mit dem Beatles-Stück „Come Together“ los, interpretiert von Nils Landgren, Ulf Wakenius und Lars Danielsson. Folgt es doch der Tradition des Jazz, sich Vorlagen aus anderen Gefilden improvisierend anzueignen, die ganze ungeahnte Vielfalt der Musik zu nutzen – getreu dem ACT-Motto: „Connecting the unexpected“. Das Trio, dass dies hier umsetzt, steht auch für eine andere Spezialität: Ist ACT doch der wichtigste Exporteur des schwedischen Jazz in die Welt. Landgren, seit 1995 exklusiver ACT-Artist und mittlerweile der erfolgreichste Label-Künstler, zeigt sich auf dem „Jubilee Album“ mit Nat Adderleys „Walk Tall“ auch von seiner funkigen Seite. Und Wakenius‘ Hommage „Paco’s Delight“ an die Flamenco-Ikone Paco de Lucía wird im Duo mit seinem Sohn Eric zur Familiensache. Über die fruchtbare Schweden-Connection fand auch Viktoria Tolstoy den Weg zu ACT, die auf dem Jubiläumsalbum unverwechselbar bittersüß „Monologue“ ihres früheren Begleiters Esbjörn Svensson singt.
Natürlich ist es auch kein Zufall, dass das Album mit Svenssons „Prelude in D Minor“ endet, war er mit seinem Trio e.s.t. doch bis zu seinem tragischen Unfalltod 2008 der wohl wichtigste Neuerer des europäischen Jazz. Das Solopianostück ist das einzige Vermächtnis eines geplanten, aber leider unvollendeten Soloalbums. Auch der e.s.t.-Klassiker „Dodge The Dodo“ unterstreicht die große Strahlkraft des verstorbenen schwedischen Masterminds, den hier ein Quartett mit dem polnischen Geiger Adam Bałdych, dem finnischen Pianisten Iiro Rantala und dem Flötisten Magnus Lindgren mit Wucht und Finesse zu Gehör bringt.
Neben Svensson, Bałdych und Rantala ist auch der norwegische Saxofonist Marius Neset mit „Prag Ballet“ ein herausragendes Beispiel für den „Sound of Europe“, dem ACT ebenfalls von Anfang an ein Dach gegeben hat. Und dieses Engagement mit wachsendem Erfolg fortsetzt, wie „B&H“ beweist, eine Live-Aufnahme der brandneuen Kombination der neuen französischen Jazzstars Vincent Peirani und Emile Parisien mit dem einmaligen Schweizer Vokalartisten Andreas Schaerer sowie dem „vollkommenen Klaviermeister“ (FAZ), Michael Wollny.
Als einer der wenigen deutschen Jazzer hat das Jahrhunderttalent Wollny den Sprung ins internationale Rampenlicht geschafft. Auf dem „Jubilee Album“ ist er in zwei weiteren Konstellationen vertreten: Im explosiven Duo „Swing, Swing, Swing“ mit Deutschlands bedeutendstem Schlagzeuger Wolfgang Haffner, repräsentiert Wollny die ACT-Politik, nie die heimischen Talente zu vergessen. Das live in der Berliner Philharmonie aufgenommene Duo mit Iiro Rantala („White Moon“), steht zugleich für die ACT-Mission, der Welt aufstrebende Jazzpianisten vorzustellen. Schließlich darf auch die „ganz große Kunst eines wahren Stimmwunders“ (Vogue) auf der Geburtstagszusammenstellung nicht fehlen: Youn Sun Nahs „Bitter Ballad“.
Das „Jubilee-Album“ ist Rückschau und Ausblick in einem. Es zeigt anhand von herausragenden Kompositionen und Künstlern, dass ACT ein verlässlicher Kompass für neue, aufregende Musik „in the Spirit of Jazz“ war, ist und bleiben wird.Credits:Curated by Siggi Loch Mastered by Klaus Scheuermann Cover art by Jiri Geller, SMILE!, 2016 @ ACT Art Collection
Various Artists - Magic Moments 9 "In The Spirit of Jazz"CD / digitalDie neunte Ausgabe der beliebten Magic Moments-Compilations liefert wieder neuen musikalischen Nährstoff für offene Ohren: Eine illustre Leistungsschau und bestes Jazz-Infotainment durch das aktuelle ACT-Programm. Für Jazzkenner wie für Neueinsteiger bietet die handverlesene Zusammenstellung 65 Minuten hochkarätigen Hörgenuss. Musik ohne Grenzen „in the spirit of Jazz“: Musik fernab eines festgelegten Stils mit etablierten Jazzstars, Newcomern und Geheimtipps.
„Jazz ist die Freiheit, viele Formen zu haben.“ Dieses Credo Duke Ellingtons prägt auch das Selbstverständnis von ACT. So liegt der Fokus in dieser Ausgabe insbesondere auf Projekten, die nach den Grenzen zu anderen Genres und Stilen tasten, diese überschreiten und Neues schaffen. Eine sinfonische Interpretation des e.s.t.-Stücks „From Gagarin’s Point Of View“ eröffnet mit einer eindrucksvollen Hommage an den verstorbenen Pianisten Esbjörn Svensson. Mit seinem Projekt „Some other time“ blickt Nils Landgren über den großen Teich und setzt mithilfe der Bochumer Symphoniker dem großen Leonard Bernstein ein Denkmal: „Das hätte dem Großmeister bestimmt gefallen“ (Stern). Jan Lundgren ehrt mit klassischem Streichquartett und „Lycklig resa“ einen der Vorreiter des schwedischen Jazz, Jan Johansson.
„ACT ist auf einer Mission, der Welt Europas aufstrebende Pianisten vorzustellen“, stellte der englische Guardian vor einigen Jahren fest. Diesem Bestreben geht ACT auch in diesem Jahr nach: Einen Einblick in das neue Album von Michael Wollny im Duo mit dem Akkordeonisten Vincent Peirani gibt „The Kiss“. Außerdem werden zwei pianistische Neuzugänge bei ACT präsentiert: David Helbock aus Österreich mit „The Soul“ und der aus Martinique stammende Grégory Privat mit „La Maga“.
Doch auch zwei renommierte Pianisten sind vertreten: Altmeister Joachim Kühn interpretiert im Trio mit den „jungen Wilden“ Eric Schaefer (dr) und Chris Jennings (b) auf erfrischende Weise „Sleep on it“, eine Reggae-Dub-Nummer von „Stand High Patrol“. Iiro Rantala überzeugt im „Super-Trio“ mit Lars Danielsson und Peter Erskine mit finnischer Leichtigkeit durch Kenny Barrons „Voyage“.
„Hier wird Jazzgeschichte geschrieben”, schrieb der Berliner Tagesspiegel über die Konzertreihe „Jazz at Berlin Philharmonic“. Zwei weitere denkwürdige Konzertabende im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie wurden auf CD verewigt und sind auf Magic Moments 9 vertreten: „Tears For Esbjörn“, ein gemeinsames Erinnern an Esbjörn Svensson in ACT-Starbesetzung und „Celtic Roots“, eine folkloristische Spurensuche nach den keltischen Einflüssen im Jazz.
Besonders die Abbildung des Klangs Europas ist die Aufgabe von ACT. So wurde zum Beispiel nach sieben Jahren die zweite Ausgabe des Erfolgsprojekts „Mare Nostrum“ eingespielt: Bei „Kristallen den fina“ verschmelzen Jan Lundgren und Paolo Fresu die Musikkolorite Schwedens und Italiens auf bezaubernde Weise. Das außergewöhnliche Aufeinandertreffen der beiden Gitarristen Gerardo Núñez aus Spanien und Ulf Wakenius aus Schweden zeigt mit „Mirlo“ zu was interkultureller musikalischer Austausch im Stande ist. Das spontane Zusammenspiel der Skandinavier Lars Danielsson (b), Marius Neset (sax) und Morten Lund (dr) als „akustisches Trio mit explodierender Spielfreude“ (Spiegel Online) offenbart sich in „Folksong“. Auch der finnische Jukka Perko und die neue Stimme aus Frankreich Lou Tavano tragen zum europäischen Sound-Profil von ACT bei.
Berauschend und berührend, unterhaltend und anregend sind die Magic Moments 9 eine Momentaufnahme des europäischen zeitgenössischen Jazz und ein Blick darüber hinaus.
Credits:
Compilation by Siggi Loch Mastered by Klaus Scheuermann
Mariud Neset - SnowmeltCD / digital
Marius Neset tenor and soprano saxophones Ivo Neame piano Petter Eldh bass Anton Eger drums London Sinfonietta conducted by Geoffrey Paterson
Bemerkenswerte 239 Notenblätter umfasst die Orchesterpartitur der Kompositionen auf „Snowmelt“. Der Saxofonist Marius Neset liebt die Herausforderung und sucht musikalische Grenzerfahrungen. Das macht ihn zu „einem der aufregendsten Künstler der Jazzwelt“, wie der amerikanische Downbeat kürzlich schrieb. Folglich nahm ihn das renommierteste aller Jazzmagazine kürzlich als einzigen in Europa lebenden Musiker in seine „25 for the future“ Liste auf. Ohne Zweifel, Gegenwart und Zukunft gehören dem norwegischen Ausnahmetalent, wie sein ambitioniertestes Orchester-Jazz-Projekt, das zwischen 2012 und 2015 entstand, beweist.
Und doch sagt die nüchterne Anzahl der Notenblätter wenig über den progressiven Charakter des Albums „Snowmelt“ aus, über dieses sorgfältig durchdachte, auf jedes Detail achtende und vor musikalischem Feuer, vor Kontrasten und Erfindungsgeist erstrahlenden Werk. Neset spürt hier dem Atonalen und dem Dissonanten ebenso nach wie dem Lyrischen und Zarten, um eine Balance zwischen den Extremen zu finden, und Kompositionsmethoden, die unterschwellig die Verbindungslinien herstellen.
Die Ursprünge des Albums liegen in dem 15-Minuten-Stück für Solo-Saxofon, Kammerorchester und fünf Sänger, das Neset 2013 im Auftrag der Oslo Sinfonietta schrieb. „Ich liebte es, mit diesem Ensemble und dieser Besetzung zu arbeiten“, erinnert sich Neset, und diese Komposition trieb ihn an, sich noch höhere Ziele zu stecken. Ein komplettes Album sollte entstehen, mit noch mehr Streichern und mit seinem Quartett: „Es ist sehr rhythmische Musik, ich brauchte also die Rhythmusgruppe meiner eigenen Band, um die ganze Sache zusammenzuhalten.“ Ein Zusammenhalt, dem auch seine Kompositonsmethode dient: Eine Melodielinie zieht sich auf dem Album, mit der siebenteiligen Suite „Arches of Nature“ im Zentrum, jeweils durch ein Kaleidoskop von Permutationen und Stimmungswechseln, etwa im zweiten Teil von „Arches of Nature“, wo eine Zwölfton-Skala erst vom Bass, dann vom Klavier und schließlich vom Fagott übernommen wird.
Die Verwendung von Tonreihen ist kein Zufall. Sie steht für einen entscheidenden Einfluss auf die Komposition des Albums: Als Neset 2012 in Kopenhagen Alban Bergs Oper „Lulu“ sah, war er tief beeindruckt. Die moderne Klassik wurde so zu einem wichtigen und offensichtlichen Element von „Snowmelt”: Etwa wenn der sechste Teil von „Arches of Nature” die Melodie des Adagio von Gustav Mahlers zehnter Sinfonie zitiert, jene ragende Komposition, mit der Mahler am weitesten in die neuen, die traditionellen tonalen ablösenden Klangwelten vordrang. Oder die Schlusspassagen von „Arches of Nature”, die wie ein Echo auf Igor Strawinskys „Circus Polka” klingen. Oder das abschließende Titelstück, in dem die Streicher die Wildheit eines Béla Bartók aufnehmen.
Das Bestreben, Ordnung und Chaos auszubalancieren, und damit auch Komposition und Improvisation, Klassik und Jazz zu verschränken, ist ohnehin ein Dauerbrenner des Quartetts von Marius Neset, dieser seit langem bestehenden „working band”. Neset, der Bassist Petter Eldh und Schlagzeuger Anton Eger kennen sich seit ihren Studententagen. Pianist Ivo Neame stieß 2012 dazu. Wie ergänzen sich diese Persönlichkeiten? „Anton und ich sind die Planer”, erzählt Neset. „Petter und Ivo sind die zwei, die Freiheit brauchen. Wenn ich etwas vorschlage, wollen sie unter Garantie etwas anderes machen. Aber ich mag solche Überraschungen. Beide haben einen überragenden Geschmack, der mich kreativ anregt.“
Auch als Instrumentalist sucht Marius Neset die großen Herausforderungen. Im Kleinen sieht man dies an der unglaublichen Vielzahl von Klängen, die Neset dem Sopransaxofon auf „Snowmelt“ entlockt: „Ich habe mehr mit dem Sopran gearbeitet und nach extremen Sounds gesucht, die Kontraste ergeben“, sagt er. Nesets Entdeckungen gemahnen an die lange Liste, die der überragende Sopransaxofonist Steve Lacy in seinem Buch „Findings“ erstellt hat. Das Sopransaxofon könne „Muhen, Zischen, Schmatzen, Jaulen, Seufzen, Tuten, Pfeifen, Knallen, Schwirren, Bellen, Krächzen, Niesen, Sticheln, Gänsehaut erzeugen“, schrieb er. Auf „Snowmelt“ macht Neset all das – und noch viel mehr.
Auf „Snowmelt“ geht es erneut um viel mehr als nur um sein Instrument, es geht um die vielstimmige, komplexe Klangwelt in Nesets Kopf. Mit „einem der besten klassischen Kammerensembles der Welt“, wie sich Neset wohl bewusst ist, bringt er diese zum Klingen. Geht es um zeitgenössische Musik, so ist die London Sinfonietta einer der führenden Klangkörper weltweit. Von Iannis Xenakis über Thomas Adès, Steve Reich bis hin zu Django Bates und Markus Stockhausen, das 1968 gegründete Ensemble, wird für seine Uraufführungen und Werkeinspielungen international hochgeschätzt: „Wenn ich die britische Regierung wäre, würde ich die London Sinfonietta zum nationalen Kulturgut erklären. Mögen sie noch lange Musik machen!“ (Steve Reich). Mit Geoffrey Paterson (*1983) stand ein junger britischer Dirigent am Pult, dem man eine große Zukunft voraussagen darf. Neset: „Ich war überrascht wie akribisch er war. Geoffrey kannte die Musik besser als ich. Wir sind ja Jazzmusiker und es nicht gewohnt, mit einem Dirigenten so eng zusammenzuarbeiten. Das was ich mir erdacht habe, hat er auf eine neue Stufe gestellt, wie ich es mir nicht erträumen konnte. Geoffrey war immens wichtig für dieses Projekt.“ Welches Wagnis solch eine Zusammenarbeit bedeutet, zeigt vielleicht am schönsten „Acrobatics“, der zweite Teil von „Arches of Nature“: Wie bei einem Hochseilakt führt Neset da seine Begleiter mit unglaublichen Tricks nahe an den Absturz, bis das Kunststück bravourös gelingt.
Einen enormen Aufwand an Arbeit hat Neset bei „Snowmelt“ betrieben. Ein Aufwand, der sich gelohnt hat: So oft man das Album hört, jedes Mal enthüllt und enträtselt sich Neues. Neset sagt, das Ziel seines Werks sei gewesen, „den Punkt zu finden, an dem alles Sinn ergibt.“ Für den Hörer ist die Suche nach diesem Punkt ebenso spannend wie lohnenswert. Credits:
All music composed and arranged by Marius Neset Recorded by Jon Bailey at AIR Studios, London, 16th and 17th March, 2015 Assistant recording engineer - Chris Barrett Mixed by August Wanngren at We Know Music Studios Mastered by Thomas Eberger at Stockholm Mastering Produced by Marius Neset with Anton Eger
Danielsson - Neset - Lund - Sun BlowingCD / digital
Marius Neset tenor saxophone Lars Danielsson bass Morten Lund drums So etwas passiert heutzutage nur noch selten im Jazz: Drei Musiker, alle in Kopenhagen lebend, gehen spontan ins Studio, spielen dort das erste Mal zusammen und erschaffen eine Sternstunde des Jazz.
Der dänische Schlagzeuger Morten Lund rief das Projekt ins Leben. Der Initialfunke für diese Idee entstand bereits 2012, als er auf einer Zugreise mit dem norwegischen Saxophonisten Marius Neset und dem schwedischen Bassisten Lars Danielsson ins Gespräch kam. Alle drei kehrten von der JazzBaltica nach Kopenhagen zurück. Danielsson und Lund kannten sich bereits durch ihre gemeinsame Arbeit mit Cæcilie Norby und Ulf Wakenius. Neset hatte bis dato noch mit keinem von ihnen zusammen gespielt.
„Das Trio mit Saxophon, Bass und Schlagzeug gibt Raum und Freiheit“, beschreibt Lund. „Und ich spürte sofort, dass wir alle drei dieselbe Leidenschaft für das Unvorhergesehene haben, sich dem Moment hinzugeben und zu sehen, was passiert.“ Als Lund ein kostenloser Tag in Kopenhagens MillFactory Studio angeboten wurde, zögerte er nicht lange und rief Danielsson und Neset an. Jeder sollte ein paar Stücke mitbringen. Dann: „Einfach spielen, ohne große Vorbereitung.“ Weitsichtig wie Lund war, lud er auch Produzent Siggi Loch zu der Aufnahmesession ein. Und los ging‘s…
Lars Danielsson erinnert sich lebhaft an den Beginn der Session: „Es lief alles total reibungslos. Das Beste an improvisierter Musik ist der Flow und den haben wir vom ersten Stück an gespürt.“ Dieses war Danielssons Blues-Komposition „Little Jump“. Der First Take fand seinen Weg aufs Album und eröffnet „Sun Blowing“.
Normalerweise zeichnen sich Marius Nesets Aufnahmen durch sorgfältige Planung aus. „Sun Blowing“ ist die Ausnahme in seinem bisherigen Schaffen: „Das war eindeutig anders als ich es gewohnt bin. Aber sehr spannend. Es ist eine andere Art Musik zu machen, viel offener und freier. Ein großer Teil des Spiels zeichnete sich durch das Suchen und Finden der anderen aus“, beschreibt Neset diese neue Erfahrung. „Ich dachte die ganze Zeit: Wie würde ich es spielen, wenn ich es geschrieben hätte?“ Und tatsächlich gelang es Neset, sich die bisher unbekannten Stücke ganz zu eigen zu machen. Spricht man ihn beispielsweise auf Danielssons „Blå“ (blue) an, antwortet er nur: „Ich fühlte mich wie Zuhause.“
Der ganze Schaffensprozess zeichnete sich durch seine Natürlichkeit aus: Ein akustisches Trio, das quasi live aufnahm. Keine späteren Nachbearbeitungen oder Verbesserungen, bis auf kleine Ausnahmen: Eine zweite Saxophon-Stimme in „Evening Song For B“ und von Danielsson kreierte programmierte Harmonien.
Danielsson, Neset und Lund bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Form und Free, von Kraft und Raffinesse. Ein Trio ohne Leader mit intuitivem Verständnis füreinander agiert im lebhaften Wechselspiel von freien Passagen und fester Verankerung im Groove. Jeder der drei gibt Impulse für den Fortgang der Musik und erhält ausreichend Raum für solistischen Individualismus. Beeindruckend sind das sichere Timing und das feine Gespür für Dynamik. Das längste Stück ist zugleich das emotionale Zentrum von „Sun Blowing“. Nesets Komposition „Salme“ (Psalm) verläuft durch freie, improvisierte Abschnitte, die Erinnerungen an den Sound Jan Garbareks hervorrufen, bevor es „funky“ wird und sich das Trio zum Ende hin dann in der Abstraktion verliert. „Salme“ wurde von Neset vorher nur ein paar Mal im Duo mit Daniel Herskedal gespielt, nun findet es sich das erste Mal auf CD wieder.
Die einzige Komposition, die nicht von den Bandmitgliedern ist, erinnert an Michael Brecker. Morten Lund schlug Don Grolnicks „The Cost Of Living“ vor, das Brecker auf seinem 1987 veröffentlichten Debütalbum einspielte. Die 2007 verstorbene Saxofon-Legende ist Schnittmenge im Leben aller drei Musiker: Danielsson tourte mit Brecker in den 1980er Jahren in Europa, Lund spielte mit ihm auf einem Workshop im Duo und für Neset ist er erklärtes Vorbild. Jedoch weicht Neset bei „The Cost Of Living“ entschlossen vom Original ab und beweist einmal mehr, dass er ein ganz eigener Stilist ist, der das Tenorsaxofon, wie die Süddeutsche Zeitung schrieb, „in eine neue Dimension führt.“
So wie die Künstler der italienischen Freskenmalerei den Mut hatten, in kürzester Zeit direkt auf nassen Putz zu malen, schufen die drei feinen Handwerker Danielsson, Neset und Lund ebenso etwas Besonderes innerhalb eines Tages. Oder wie sich Lund kurz nach den Aufnahmen euphorisch äußerte: „Es war wie… Wow! Haben wir das wirklich getan?!" Credits:
Produced by Morten Lund & Lars Danielsson Executive Producer: Siggi Loch Recorded by Boe Larsen at Millfactory Studio, April 3, 2014 Mixed by Boe Larsen and mastered by Klaus Scheuermann Cover Art based on a painting by Wilhelm Morgner (1891 - 1917)
Marius Neset verbindet virtuosen Jazz mit vielfältigen Einflüssen. „Pinball“ begeistert mit Ausdrucksstärke und Melodie – ein Meilenstein seiner Karriere.
Marius Neset's "Lion" mit dem Trondheim Jazz Orchestra vereint explosive Saxofonkunst und mutige Orchesterarrangements für ein frisches, dynamisches Jazz-Erlebnis.
Duo Art - es ist die reduzierteste Form des miteinander Musizierens. Nicht minder reichhaltig, wenn‘s gelingt, die kleinste „Bigband“ der Welt. Zwei auf sich alleine gestellt, in Harmonie und Wettbewerb. Sich ergänzend, hinterfragend und gegenseitig die Meinung sagend – ein faszinierender Dialog Ohr an Ohr. Spontan und intensiv, Call and Response – Jazz in seiner Reinform. Manchmal ist weniger eben mehr, um magische Momente entstehen zu lassen – wie „Duo Art Creating Magic“ beweist.
Auf „Imaginary Room“ vergisst man jedes Geigen-Stereotyp und wird Zeuge von Bałdychs beeindruckender Virtuosität, Expressivität und Variabilität. Nicht umsonst schrieb Ulrich Olshausen schließlich in der FAZ, Bałdych sei „zweifellos der größte lebende Geigentechniker des Jazz. Von ihm kann man alles erwarten.“ – Und was man alles erwarten kann, bezeugt er eindrucksvoll auf seinem ACT-Debüt!
17,50 €*
Konzerte
Diese Website verwendet Cookies, um eine bestmögliche Erfahrung bieten zu können. Mehr Informationen ...