Wolfgang Haffner - Life Rhythm Live2-CD / Doppelvinyl / digitalWolfgang Haffner drums Sebastian Studnitzky trumpet Arto Mäkelä guitar Simon Oslender keyboards Thomas Stieger bass Wolfgang Haffner ist ein vielbeschäftigter Mann. Eben noch Konzerte in Japan, dann quer durch Europa, kurze Pause zum Meeting in Ingolstadt, wo er seit vergangenem Jahr die Programmleitung der Jazztage übernommen hat, dann wieder weiter. Und Wolfgang Haffner ist das Kunststück gelungen, als einer der gefragtesten Schlagzeuger der europäischen Jazzwelt aus dem Bühnenhintergrund von Kollegen wie Al Jarreau, Jan Garbarek oder Nils Landgren herauszutreten, um als Bandleader den Ton anzugeben. Während seine Studioalben wie zuletzt „Life Rhythm“ einen starken Fokus auf einer raffinierten Produktion mit tiefenentspannter Stimmung setzen, hält das neue Album „Life Rhythm Life“ neben diesen Stimmungen besonders die mitreißende Energie und Dynamik von Haffners Konzerten fest. Und das Album macht hörbar, warum es Haffner wie aktuell keinem anderen europäischen Jazz-Drummer gelingt, mit seiner eigenen Musik auch die größten Konzerthäuser zu füllen. Für das Album und die Tour zu „Life Rhythm“ hat sich Wolfgang Haffner seine Idealbesetzung zusammengestellt. „Simon Oslender an den Keyboards und Thomas Stieger am Bass sind bei fast allen meinen musikalischen Unternehmungen der vergangenen Jahre dabei“, erzählt er. „Trompeter Sebastian Studnitzky war schon Teil einiger meiner früheren Bands. Und den Gitarristen Arto Mäkelä habe ich etwa vor zwei Jahren kennengelernt und war sofort von seinem einfühlsamen Spiel begeistert. Mit ihm war die Band komplett und ich hatte mein Dream-Team zusammen". Mit dieser Besetzung im Hinterkopf schrieb Haffner die Songs zum Album "Life Rhythm", welches im Sommer 2024 erschien. Im Herbst desselben Jahres ging es dann auf Tournee durch viele der schönsten Konzerthäuser Deutschlands. Und auch hier erfüllte sich Haffner einen Traum: „Das war eine ziemlich aufwändige Produktion inklusive 5-köpfiger Crew, ausgeklügeltem Licht und Ton, eine wirkliche Inszenierung von Anfang bis Ende, ohne Abstriche oder Kompromisse.“ Der Plan ging auf, wie Haffner sich erinnert: „Die Band hat von der ersten Sekunde an super harmoniert, und ist von Tag zu Tag noch weitergewachsen. Es war schon ein ziemliches Brett, was wir zusammen Abend für Abend hingestellt haben. Und mir war von Anfang an klar, dass wir das unbedingt auf einem Livealbum festhalten sollten.“ Wolfgang Haffner liebt die Live-Situation mit allem, was auch zwischen den Noten passiert. Dabei gelingt es ihm, die Waage zwischen Planung und Freiheit zu halten, zwischen kleinen Akustik-Passagen und großen, exakt geplanten und in Sachen Sound und Licht durchchoreographierten Momenten. Seine Mitmusiker, allesamt erfahren sowohl in Jazz als auch im Pop, folgen dem Leader mit Leichtigkeit und Präzision in dessen ganz eigene, charakteristische Zwischenwelt von Fusion, elektrischem Jazz und Passagen, die eher an Rock als Jazz erinnern. Und das Publikum zog mit. Standing Ovations allerorts. Neben den Stücken aus der letzten Studioproduktion ist „Life Rhythm Live“ eine Art "Best of" durch den Haffner-Kosmos. Songs wie "Leo", „Nacho“, "Simple Life", „Homerun“ oder das mittlerweile zum Klassiker gewordene "Keep Going" hat der Bandleader für die aktuelle Besetzung neu arrangiert und sie fügen sich nahtlos in eine sehr dynamische Choreographie mit den neueren Stücken ein. So ist das Album auf der einen Seite eine Positionsbestimmung, auf der anderen ein Resümee, das bereits die Seiten zu den nächsten Kapiteln aufschlägt. Denn Wolfgang Haffner, der in diesem Jahr sein 50jähriges Bühnenjubiläum feiert, hat noch viel vor: „Ich bin sehr dankbar dafür, mein Leben mit Musik bestreiten zu dürfen. Mehr denn je macht es mir ungeheuren Spaß Schlagzeug zu spielen, neue Musik zu schreiben, neue musikalische Ideen mit wunderbaren Menschen auf Bühnen in aller Welt für mein geliebtes Publikum zu spielen". So einfach und ehrlich lässt sich ein Erfolgsrezept auf den Punkt bringen.Credits:Album produced, arranged & mixed by Wolfgang Haffner Mastered by Marko Schneider at Skywalk Mastering
Recorded live by Jochen Etzel during the Life Rhythm tour in Germany, November 2024
Tour organized by Karsten Jahnke Konzertdirektion Cover art by Peter Krüll
Nils Landgren & Swedish Radio ChoirSandström: Sonnets of Darkness and LoveCD / digitalNils Landgren trombone & vocalsSwedish Radio ChoirKaspars Putniņš music directorNILS LANDGREN ÜBER DAS ALBUMAm 18. Oktober 2018 erhielt ich eine E-Mail vom dänischen Chorleiter und ehemaligen Posaunenkollegen Mogens Dahl: „Ich habe die Idee, den schwedischen Komponisten Sven-David Sandström ein Stück für gemischten Chor schreiben zu lassen, dazu Deine Posaune und Deine Stimme – nichts weiter. Als ehemaliger Posaunist habe ich eine Affinität für das Instrument und ich mag wirklich, wie Du spielst und singst. Sven-David geht es nicht gut, aber er würde sofort mit der Arbeit beginnen. Können wir uns im Büro seines Verlegers treffen?“Das war der Beginn eines wundervollen Projekts. Wir trafen uns am 13. November um 10.00 Uhr vormittags im Büro von Gehrmans Musikverlag in Stockholm. Es wurde eine herzerwärmende Begegnung. Mogens Dahl und den Librettisten Jakob Holtze traf ich zum ersten Mal, Sven-David Sandström kannte ich bereits von mehreren Veranstaltungen an der Königlich Schwedischen Musikakademie, wo wir uns oft unsere gegenseitige Wertschätzung versichert hatten.Trotz seiner Krankheit sprühte Sven-David vor Energie. Es war eine aufregende Erfahrung, mit einem der großen Komponisten unserer Zeit zusammenzusitzen und über ein Stück zu reden, das er für den Swedish Radio Choir und für mich schreiben würde, mit von Jakob Holtze ausgewählten, literarischen Liedtexten. Was für eine unglaubliche Ehre! Am 4. April 2019 schrieb uns Gunnar Helgesson, der Direktor von Gehrmans, eine E-Mail: „Überraschende Neuigkeiten. Sven-David hat das Stück schon vollendet! Bei unserem nächsten Treffen wird es ein fertiges Manuskript geben.“ Am 6. Mai desselben Jahres traf ich mich mit Mogens, Jakob and Sven-Davids Frau Anne-Marie im Dalen Krankenhaus am Stadtrand von Stockholm. Obwohl Sven-David von seiner Krankheit gezeichnet war, hatte er dieses Feuer in den Augen. Er zeigte uns Teile seiner Musik und es war tief bewegend, den Meister bei der Arbeit zu erleben.Es war unsere letzte Begegnung. Am 10. Juni starb Sven-David im Kreise seiner Familie – was für ein trauriger Tag! Ich muss oft daran denken, was Sven-David bei unserer ersten Begegnung sagte: „Deine Stimme ist wirklich schräg, aber hey, sie klingt trotzdem gut und ich mag sie!“ Das ist mit fest in Erinnerung geblieben und zaubert immer wieder ein Lächeln auf mein Gesicht.Vielleicht hat Sven-David recht mit dem, was er über meine Stimme sagte – kann sein, dass sie nicht jeden anspricht, aber einige eben doch. Ich bin diesem Stück Musik zutiefst verbunden. Sven-David hat keine Aufführung mehr erlebt, aber seine Witwe Anne-Marie sagte einmal, er hätte unsere Version geliebt, wäre er dabei gewesen. Dieser Gedanke tröstet mich genauso wie die Musik selbst und die von Jakob Holtze ausgewählten Gedichte – Shakespeare, Lorca, Nietzsche und Sandström. Was für eine außergewöhnliche Zusammenstellung!Als Nächstes suchte ich Kontakt zu Christian Kuhnt, dem Intendanten des Schleswig-Holstein Musik Festivals, um herauszufinden, ob er sich eine Aufführung vorstellen könnte. Er war tatsächlich interessiert. Dann wandte ich mich an den Baltic Song Contest in der Stockholmer Berwaldhalle und deren Chef Staffan Becker schlug eine Zusammenarbeit mit dem weltberühmten Rundfunkchor Stockholm vor, der lange und erfolgreich mit Sven-David Sandström kollaboriert hatte. Der Ball kam ins Rollen – doch dann schlug die Pandemie zu, alles fand ein abruptes Ende. Jahre später wurde ich vom schwedischen Rundfunk angesprochen. Ob ich mir vorstellen könnte, mir Sonnets für zwei Aufführungen mit dem Rundfunkchor in der Berwaldhalle noch einmal vorzunehmen. Natürlich konnte ich mir das vorstellen. Es war der Start einer wunderbaren Zusammenarbeit mit dem Chor und dem lettischen Dirigenten Kaspars Putniņš. Beide Konzerte waren ausverkauft und wurden vom schwedischen Radio P2 aufgenommen.
Alles, was Sie auf diesem Album hören, ist live!Nils Landgren, Skillinge, Januar 2025
CreditsRecorded live on March 15–16, 2024, at Berwaldhallen in Stockholm, Sweden
Recording Producer: Jens Braun
Sound engineer: Johan Hyttnäs
Mixing Engineer: Jens Braun
Mastering: Jens Braun
FOH and sound adviser: Jan UgandCover art by Mark Harrington
Nils Kugelmann - Life ScoreCD / Vinyl / digitalNils Kugelmann double bassLuca Zambito pianoSebastian Wolfgruber drumsNils Kugelmann will erzählen. Man merkt es an den Titeln seiner Stücke, den Ansagen bei seinen Konzerten und natürlich an der Musik selbst. „Die Verbindung von Musik mit Geschichten, Gefühlen und Situationen ist für mich essenziell“, meint der Wahl-Berliner Bassist, Komponist und Bandleader. „Bei Konzerten spreche ich bewusst und gerne mit dem Publikum und gehe ausführlich auf die jeweiligen Hintergründe der Stücke ein. Ohne diese Art der Kommunikation kann ich mir kaum vorstellen, Musik auf der Bühne zu präsentieren.“ Vor allem aber spielt und komponiert Nils Kugelmann musikalisch nachdrücklich und mit betörender Energie. Und es gelingt ihm wie keinem anderen deutschen Kontrabassisten der U30-Generation, sein Instrument zur Front-Figur seiner Musik zu machen. Direkt nach seinem Master im Jahr 2022 startete Kugelmann mit dem Debüt-Album „Stormy Beauty“ auf ACT durch: „Bass-Berserker“ (SZ), „Mega-Talent.“ (BR Klassik), Auszeichnungen, ausverkaufte Konzerte. Und auch über sein Kern-Trio hinaus spielt Kugelmann stiloffen, was ihm gefällt. Im Duo mit der Pianistin und Komponistin Shuteen Erdenebaatar beispielsweise begibt er sich in verhalten kontemplative und der Klassik zugewandte Klangwelten, neben dem Kontrabass hauptsächlich mit der im Jazz-Kontext selten verwendeten Kontra-Alt-Klarinette. Als Teil des Shuteen Erdenebaatar Quartetts wiederum agiert er kraftvoll und mit profunder gestalterischer Kraft. Es sind viele Schattierungen seiner Musikerpersönlichkeit, die Kugelmann in seinem eigenen Trio mit dem Pianisten Luca Zambito und dem Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber besonders prägnant formuliert. „Life Score“ ist in vielerlei Hinsicht eine Weiterentwicklung und Konzentration der Qualitäten der Band und ihres Leaders. „Unser erstes Album kam ja noch aus der Corona-Zeit heraus. Wir hatten kaum Möglichkeiten, live zu spielen und die Aufnahmen im Studio waren die erste richtige Gelegenheit, die Stücke auszuprobieren.“ erinnert sich Kugelmann. „Mit ‚Life Score‘ ist das ganz anders. Inzwischen haben wir viele Konzerte hinter uns, das Trio ist enger zusammengewachsen. Die Stücke wirken viel kompakter und konkreter“. Wesentlichen Anteil daran hat ACT-Chef und Produzent Andreas Brandis. Auf mehreren Livekonzerten testete das Trio das neue, von Nils Kugelmann geschriebenen Repertoire. Es folgten intensive gemeinsame Diskussionen über Stückauswahl, Arrangements, Sound und Dynamik. So konnte das Trio zusammen mit seinem Produzenten perfekt vorbereitet ins Studio gehen, sich auf die Arbeit an Feinheiten konzentrieren und die idealen Album-Fassungen der Stücke finden. Andreas Brandis sagt: „Nils Kugelmann ist nicht nur ein unglaublicher Bassist, sondern vor allem auch ein großartiger Songwriter. Und gerade weil seine Musik so prägnant und eingängig ist, war es wichtig, die Stücke auf ihren Kern zu reduzieren.“ Die Kompositionen des Albums haben allesamt eine cineastische Qualität, sind kurze Lebensfilme ihrer Protagonisten, „Life Scores“, die sich von Erlebnissen auf Tournee wie einem Besuch der Galapagos-Inseln, aber auch von allgemeineren Stimmungen wie dem Gefühl von lauen Sommerabenden, dem Duft der Nacht und dem unvergleichlich Erleben der Liebe inspirieren lassen. Das sind alles Geschichten, die sich in den Kompositionen wiederfinden, in klaren, präsenten Melodien, im groovenden, fließenden Rhythmus eines homogen klingenden Trios und auch in der Natürlichkeit melodischer Musik. Denn Nils Kugelmann will nicht nur erzählen. Er will auch gehört und verstanden werden – von einem breiten Publikum und auch von Zuhörer:innen seiner eigenen Generation. „Life Score“ bietet dafür, als so komplexer, wie mitreißender Entwurf eines cineastischen Gen-Z-Trio-Jazz, perfekte Voraussetzungen.Credits:Recorded by Klaus Scheuermann, on September 24–25, 2024, at Soundfabrik in Berlin, Germany Mixed and mastered by Klaus ScheuermannCover art by Bernd Zimmer, “Cosmos”, 2003
MALAKOFF KOWALSKI ÜBER DAS ALBUM "UPRIGHT"Am Tag einer Klavieraufnahme dreht sich frühmorgens als Erstes alles um die Stimmung. Die pianistischen Vorlieben, die Anforderungen des Repertoires und die Methoden des Klavierbauers werden miteinander in Einklang gebracht, und sobald das Instrument bereit ist, angespielt zu werden, beginnt sich das Adrenalin bemerkbar zu machen. Wir waren für Aufnahmen zu meinem Album „Songs With Words“ verabredet. Auch mit den Pianisten Igor Levit und Chilly Gonzales hatte ich hierfür schon ein paar Stücke aufgenommen. Nun also traf Johanna Summer morgens bei mir im Studio ein, und als sie das Klavier nach der Stimmung ausprobierte, hörte ich etwas, das vollkommen neu war für meine Ohren. Jazz! Jazz hatte auf meinem Upright-Klavier, einem „Krauss“ aus den 1920er-Jahren, noch nie jemand gespielt. Noch dazu war das Klavier mit einem Filz zwischen Hämmern und Saiten präpariert, um einen ungewöhnlich warmen und gedämpften Klang zu erzeugen, der in Teilen beinah einem Fender Rhodes oder einer Celesta ähnelt. Altmodisch und dabei sehr modern. Während ich so dastand und hoffte, die Stimmung würde Johanna gefallen, spürte ich, dass Johannas Klangprobe eine ganz eigenständige Solomusik war, die es geradezu einforderte, ebenfalls aufgenommen zu werden. Wir sprachen darüber und einigten uns darauf, ein paar Wochen später einen Tag lang alles aufzunehmen, was Johanna an diesem Klavier in den Sinn kommen würde. Die Beschaffenheit des Instruments in Verbindung mit dem Filz fördert aus mechanischen Gründen einen recht lyrischen, introspektiven Ausdruck, gleichzeitig sind hierbei zu schnellen und zu lauten Passagen kaum spielbar. Johanna, – die üblicherweise auf dem modernen Flügel mit ihren entfesselten Improvisationen über klassisches Repertoire keine Grenzen kennt – gewissen Restriktionen auszusetzen, schien ihr als Pianistin und mir als Produzenten eine aufregende Aussicht zu sein. Wir rechneten mit zwei bis drei Stücken, die entstehen könnten. Aus denen sich dann vielleicht irgendwann einmal mehr machen ließe. Dass nach einem langen Tag im Studio sieben Stücke fertig wurden, war kaum zu glauben. Schon am nächsten Morgen, beim ersten Durchhören, zeichnete sich ab, dass diese Musik ein in sich geschlossener Zyklus war: zwei eigene Improvisationen eröffnen ihn. Wollte man heimlich behaupten, diese Musik sei geschrieben und nicht improvisiert, sie stünde für eine Kompositionsfertigkeit, wie sie zeitgenössisch kaum jemand beherrscht. GIANT STEPS, STELLA BY STARLIGHT und I REMEMBER YOU bilden den Kern aus Jazz-Standards. Auch diese Einspielungen (es gab jeweils mehrere Takes) leisten Außerordentliches: Soweit ich weiß, wurden diese Standards noch nie auf diese Art gedacht und gespielt, schon gar nicht auf einem gedämpften Klavier von vor hundert Jahren. Vielleicht erinnern die freien Einleitungen entfernt an Mompou oder Bartók, ich weiß es nicht, jedenfalls sind sie schon nach wenigen Tönen unverwechselbar als Johanna Summer identifizierbar. Die berühmten Standards werden heruntergebrochen auf die zurückgenommensten Grundsäulen ihrer Themen und die kurzen Soli verflüchtigen sich genauso unbemerkt wie sie sich lautlos aus dem Nichts ihren Weg suchen. Wo TEARDROP von Massive Attack auf einmal herkam in dieser Reihung, lässt sich kaum noch nachvollziehen, aber mehr Glück kann ein Einfall im Studio kaum bringen. Das Ende des Zyklus' bildet Richard Wagners sagenumwobene, dissonierende „Elegie in As-Dur“ – ein wahrscheinlich aus „Tristan & Isolde“ verworfenes Thema, das lange Zeit als seine letzte fragmentarische Niederschrift galt. Das alles war eine große Überraschung für uns. Fast wie etwas, das einem widerfährt. Ein sehr aus der Zeit gefallener Vorgang. Eine Verbindung aus größter Freiheit und einiger Beschränkungen, aus völliger Absichtslosigkeit und einigem Verlangen nach einer Musik, für die es kaum Worte gibt, aber nun einen Namen: UPRIGHT.
5,99 €*
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Emma Rawicz & Gwilym Simcock - Big VisitCD / Vinyl / digitalEmma Rawicz tenor & soprano saxophoneGwilym Simcock pianoDas Duo von Saxofonistin Emma Rawicz (*2002) und Pianist Gwilym Simcock (*1981) vereint zwei der wichtigsten Figuren zweier Generationen des britischen Jazz. Rawicz und Simcock, beide Leader eigener Bands und großer Projekte für Bigband und Orchester lieben das kompakte, intime Duo-Format. „Das ist eine wirklich beglückende Erfahrung“, sagt Simcock, „wir harmonieren sehr miteinander, Emma schreibt so avanciert, ihr Blick für Details ist außerordentlich.“ Er bewundert Rawiczs technische Meisterschaft auf dem Tenor- und Sopransaxofon, besonders ihre Leichtigkeit in den oberen Registern: „Bei ihr fließen die Ideen unmittelbar ins Instrument, dieses Ideal streben wir alle an.“ Die Begeisterung beruht auf Gegenseitigkeit. „Ich war schon lange Fan von Gwilym“, erinnert sich Emma Rawicz, „deswegen geht mit unserem Duo für mich ein Traum in Erfüllung.“ Obwohl beide unterschiedlichen Generationen entstammen, gibt es in ihrer musikalischen Geschichte starke Berührungspunkte: Simcock and Rawicz studierten sogar bei den gleichen Lehrern an den gleichen Hochschulen. „Deswegen haben wir sehr ähnliche Vorlieben in unserem Musikverständnis“, sagt Rawicz. „Keith Jarrett, Jan Garbarek, Ralph Towner, ebenso die folkbeeinflusste britische Jazzfamilie von John Taylor und Kenny Wheeler bis Norma Winstone. Das alles hatte großen Einfluss.“Die passende Gelegenheit für eine erste Begegnung ergab sich bei einem Konzert im Februar 2023 in der Royal Academy of Music bei einer verspäteten Feier von Simcocks 40. Geburtstag, für die er neue Musik schreiben sollte. Rawicz erinnert sich gern, wie enthusiastisch sie war, als sie für dieses besondere Projekt ausgewählt wurde. Im Gespräch danach waren sie begeistert von der Idee eines Duos, worin sie Andreas Brandis von ACT bestärkte und unterstützte. Das Duo bedeutet für beide Hingabe, Freude und viele Impulse für Weiterentwicklung. „Unsere Begegnungen sind etwas sehr Besonderes“, sagt Simcock. „Wir treffen uns so oft es geht und das Duo entwickelt sich mit jedem Treffen weiter“, teilt Rawicz diese Begeisterung. Die Kritiker liebten schon die ersten Auftritte. „Rawicz and Simcock sind exzellent, sowohl in den ruhigeren Stücken als auch in den energetischeren Aufbrüchen. Ihre Interaktionen und ihre Kommunikation waren superb“, schrieb der polnische Kritiker Krzysztof Komorek über ihr erstes Konzert in London. Für Deutschlandfunk Kultur war ihr Jazz Baltica-Auftritt 2024 ohne Zweifel ein Höhepunkt des Festivals.Das gemeinsame Album „Big Visit“ entstand im idyllisch gelegenen „Curtis Schwartz Studio“ in West Sussex, England. Die Stimmung während der Session war „entspannt und unbeschwert“, erinnert sich Simcock. So entstand ein Album voller faszinierender Kontraste zwischen Momenten der Einkehr und Einstellungen in der musikalischen Totalen – eine Herangehensweise, auf die der Albumtitel anspielt. Alle Stücke auf „Big Visit“ leben von spielerischen Elementen. Den Eröffnungstrack „His Great Adventure“ hat Simcock seinem Sohn gewidmet, Rawiczs „The Drumbledrone“ nutzt das Wort ihres Heimat-Dialekts für Hummel und ist eine Erinnerung an ihre frühe Kindheit in der Grafschaft Devon, als sie lernte, die Sprache ihrer Großmutter vom Standard-Englisch zu unterscheiden. Der Titel von Simcocks „Optimum Friction“ bezieht sich auf dessen spannungsreiche Harmonik. Aber es gibt auch eine eher nachdenkliche Seite: „Shape of a New Sun“ zitiert den Roman „Die Hälfte der Sonne“ der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, ein Buch voller Schmerz und Hoffung. Stevie Wonders „Visions“ beschreibt den Traum von einer besseren Welt und die Ballade „You’ve Changed“ erzählt von erloschener Liebe.Mittlerweile ist das Duo Rawicz-Simcock von einer naheliegenden Idee über eine inspirierte Aufnahmesession zu einem lebendigen, atmenden, sich stetig weiter entwickelnden musikalischen Organismus geworden. Das Repertoire wächst stetig, das Duo ist in ganz Europa unterwegs und es wird spannend sein, die nächsten Kapitel seiner Geschichte zu erleben.Credits:Produced by Gwilym Simcock, Emma Rawicz
Recorded in the U.K at Curtis Schwartz Studio by Curtis Schwartz on the 29th &30th July 2024
Edited and mixed by Gwilym Simcock
Mastered by Curtis Schwartz
The Art in Music: Cover art by Paul Quick (1936–2023), ACT Art Collection
Stefano Bollani & iiro Rantala - Jazz at Berlin Philharmonic XVCD / Vinyl / digitalStefano Bollani pianoiiro Rantala pianoEin Humorist lässt aufhorchen, bringt Lächeln, manchmal Lachen mit. Das klingt einfach, ist aber eine bewundernswert anspruchsvolle Kunst. Denn es geht nicht um die einfache Komik des Scheiterns, sondern um überraschendes, befreiendes Wohlwollen. Eine neue Perspektive kann das sein, ein zuvor kaum beachtetes, cleveres Detail oder auch einmal ein unerwarteter Zusammenhang. Eine Arie bekommt zum Beispiel eine Stride-Piano-Begleitung, ein Motiv wird aberwitzig transponiert, der Nachdruck eines Themas pianistisch perlend kommentiert. Man verbeugt sich vor dem Original, aber zieht ihm ein anderes Gewand an. Es kann ein Versteckspiel sein, aber man braucht und achtet die Vorlage. Sonst wird es witzlos.Humoristen wie der Mailänder Stefano Bollani und Iiro Rantala aus Helsinki sind Meister der musikalischen Wertschätzung. Sie lieben, was sie spielen. Und sie verbeugen sich vor der Kunst des jeweils anderen, vor den Ahnen des Melodischen und auch den Möglichkeiten ihrer Instrumente. Sie lieben es überhaupt zu spielen, und da beide Virtuosen sind, ist ein Duo-Konzert ein Erlebnis der gemeinsamen Gestaltungslust. Er sei glücklich darüber, meint Iiro Rantala, die italienische Musik „mit dem bestmöglichen Klavierpartner, il Maestro Bollani“ hochleben zu lassen. Man treffe im Laufe der Jahre viele Kollegen, mit denen man gerne arbeite, erwidert Stefano Bollani, und ergänzt: „Aber wie viel mehr Spaß macht es, die Bühne mit einem Freund zu teilen, der einen sehr ähnlichen musikalischen Geschmack und Zugang hat, wie man selbst“.Zwei Künstler, die zusammenklingen. Sie haben sich am 1. Februar 2023 auf der Bühne der Berliner Philharmonie getroffen, um ihre auf den ersten Blick unerwartete gemeinsame Leidenschaft zu feiern. Denn beide verehren die italienische Oper. „Ich gehe jetzt mal so weit zu behaupten, dass einige der besten Melodien der Welt aus Italien kommen und da im speziellen Fall aus der italienischen Oper“, erklärt Iiro Rantala. „Es gibt nichts Besseres in der Musik, als eine gute, einfache und packende Melodie. Das kann man nicht beibringen, in keiner Musikschule gibt es eine Melodieklasse. Verdi, Donizetti, Rossini und Puccini hatten die Gabe der Melodie! Und wie großartig setzten sie ihr Talent ein!“
Das hatte zu deren Lebzeiten auch etwas mit der Hochachtung vor dem Publikum zu tun. Denn die Opernkomponisten des 19.Jahrhunderts wollten den Hörenden etwas bieten. Sie wollten erzählen und unterhalten, durchaus mit Anspruch, manchmal mit Botschaft, aber immer mit dem Blick auf die Begeisterung im Saal. Wer Hymnen und Ohrwürmer komponierte, konnte sicher sein, gehört zu werden. Das Konzept funktioniert bis heute. „La Traviata“, „La Bohème“ oder „Nabucco“ stehen wie Monumente auf den Spielplänen der Opernhäuser, auch wenn die Libretti manchmal überholt wirken. Sie sind voll mit Melodien, die sich in das kollektive Gedächtnis der Kulturwelt eingegraben haben, so sehr, dass auch Stefano Bollani und Iiro Rantala nur ein paar Töne andeuten müssen und schon wogt die Philharmonie im Walzertakt einer Musetta oder summt einen Gefangenenchor mit.Dabei gelingt es dem Piano-Duo mit dem Feingefühl der Erfahrung, das Opernhafte aus der Perspektive der Improvisation zu feiern, ohne es dafür in Frage stellen zu müssen. Die Musiker schwelgen und schmunzeln musikalisch. Sie gönnen sich den Spaß, das jazzgetönte Repertoire um Traditionen zu erweitern, die aus der Sicht eines guten Songs eigentlich schon lange dazu gehören. Es ist diese Mischung, die bezaubert. Zwei Humoristen, denen man bei dem Vergnügen zuhören kann, sich gegenseitig musikalisch zu entdecken. Und das mit den Melodien der italienischen Oper, die ihnen wichtig und die für beide auch ein wenig neu sind.Credits:Recorded at the Berlin Philharmonie, Germany on 1st February 2023
Recorded, mixed and mastered by Klaus Scheuermann
Cover art by Peter Krüll
Możdżer - Daniellson - Fresco - BeamoCD / Doppelvinyl / digital
Leszek MożdżerFazioli piano (A = 440 Hz equal temperament)
Steinway piano (A = 432 Hz equal temperament)
Östlind & Almquist piano (A = 440 Hz decaphonic tuning) Lars Danielsson
Double bass, cello & viola da gamba
Zohar Fresco
Frame drums, percussion & vocalsAls Leszek Możdżer, Lars Danielsson und Zohar Fresco im Juli 2004 zum ersten Mal gemeinsam in Warschau auftraten, konnten nur wenige vorhersehen, dass sich dieses Trio zu einem der beständigsten und meistbeachteten Ensembles des europäischen Jazz entwickeln würde. Jetzt, zu seinem 20-jährigen Jubiläum schlägt die Band mit „Beamo“ ein neues Kapitel auf.Das Herzstück des Albums ist ein außergewöhnliches Experiment in Sachen Tonalität. Leszek Możdżer, der Popstar und Freigeist des polnischen Jazz, durchbricht die Konventionen der Tonalität, die von Meistern des 17. und 18. Jahrhunderts wie Bach und Rameau aufgestellt wurden. Das System, eine Oktave in 12 gleiche Halbtonschritte aufzuteilen, dominierte die westliche Musik jahrhundertelang. Możdżer stellt dieses System infrage, beschreibt es als "eine schmerzhafte Verpixelung der Musik, reduziert auf zwölf obligatorische Töne".
Da jedoch die Klaviertastatur genau diesem System entspricht, bedarf es zur dessen Überwindung gleich drei unterschiedlich gestimmte Flügel im Zusammenspiel: Einen mit dem modernen Standard von A = 440 Hz, einen mit A = 432 Hz und einen dritten in einer dekaphonischen Stimmung, die die Oktave in 10 gleiche Intervalle unterteilt. Dieser Ansatz gibt die Tonalität nicht auf, sondern formt sie um und schafft eine klangliche Instabilität, die zugleich faszinierend und berückend schön ist.Der schwedische Bassist Lars Danielsson navigiert meisterhaft durch diese neue Klangwelt und verwebt die unterschiedlichen Tonalitäten mit der tiefen, resonanten Stimme seines Kontrabasses. Seine improvisatorische Brillanz wird noch deutlicher, wenn er bei Stücken wie „Decaphonesca“ die Viola da Gamba spielt und ihre Bünde an die dekaphonische Stimmung anpasst. Der israelische Percussionist Zohar Fresco legt mit seinem charakteristischen Setup aus Rahmentrommeln, Becken und Small Percussion das rhythmische Fundament für die harmonischen und melodischen Eskapaden – dynamisch, farbenreich und subtil und kraftvoll zugleich.
Laut Leszek Możdżer ist „Beamo“, der Titel des Albums, "ein Spiel, ein Code, und es liegt am Hörer, dessen versteckte Botschaft zu entschlüsseln... Es könnte eine Anspielung auf das lateinische Wort "amo" sein, das für die Eigenschaften der Liebe steht. Oder eine Referenz an das englische Wort „Ray“ - als Symbol für einen Lichtstrahl. Es ist ein Rätsel, ein multidimensionales Manifest - und das kürzestmögliche Gedicht.“Trotz seines experimentellen Charakters bleibt die Musik auf „Beamo“ im typischen Stil des Trios verwurzelt, das Einflüsse aus Klassik, Jazz, skandinavischer, osteuropäischer und mittelöstlicher Traditionen vereint. Aber die Musik gewinnt eine zusätzliche Dimension, ein Echo der reichen und zugleich aus heutiger Sicht „suchenden“ Klänge der Alten Musik, die an Clavichord und Spinett erinnern. Es ist eine Synthese aus historischer Resonanz und moderner Innovation, die die Musik auf „Beamo“ so besonders und faszinierend macht. Das Album verblüfft, überrascht und inspiriert und bietet dem Hörer einen Sound, der sowohl geheimnisvoll als auch vertraut wirkt. Es ist mehr als nur ein Album - es ist eine transformative musikalische Erfahrung, die die Grenzen dessen erweitert, was Jazz sein kann.Credits:Recorded from 18-22.09.2023 at Monochrom Studio (Poland) by Piotr Taraszkiewicz, assisted by Ignacy Gruszecki (Mono-chrom Studio)Additional cello parts recorded on 12.12. 2023 at Tia Dia Studios, Mölnlycke (Sweden) by Piotr Taraszkiewicz Brim On & Jacob's Ladder were performed in A = 432 Hz equal temperament tuningDecaphonesca was performed in decaphonic tuningEnjoy the Silence was performed in 440 Hz tuningAll other pieces were performed with the simultaneous use of two or three mixed tunings (440 Hz, 432 Hz and decaphonic tuning)Cover Art by Michał Wit Kowalski
Marius Neset - CabaretCD / Vinyl / digital
Marius Neset tenor and soprano saxophones EWI
Elliot Galvin keyboards
Magnus Hjorth piano
Conor Chaplin electric bass
Anton Eger drums, percussion
Cabaret: Musik, Tanz, schräge Späße, viel Glitzer und jede Menge Überraschungen. So weit, so bekannt. Das Album „Cabaret“ des norwegischen Saxofonisten und Komponisten Marius Neset nimmt die Zuhörer:innen mit in eine Welt atemberaubend breit gefächerter musikalischer Vorstellungskraft. Und auch wenn Neset nach vielbeachteten orchestralen Werken hier wieder zur kleinen Besetzung zurückkehrt, meint man stets, mehr als nur fünf Musikern zuzuhören. Wie schon auf dem Album „Happy“ von 2022 besteht Maris Nesets Quintett aus Elliot Galvin (Keyboards), Magnus Hjorth (Piano), Conor Chaplin (E-Bass) und Anton Eger (Drums & Percussion). Auf „Happy“ spielten die Musiker erstmals in dieser Konstellation zusammen. Inzwischen sind sie eine erfahrene Working Band: „Wir haben viele Konzerte gespielt und wie sich diese Band in dieser Zeit entwickelt hat, ist für mich schlicht einzigartig“, rekapituliert Marius Neset. Nach Veröffentlichungen mit der „London Sinfonietta“ (inklusive Auftritt in der Royal Albert Hall bei den “BBC Proms”), einer Solo-Saxophon-Platte und einer Duo-Suite mit dem klassischen Klavierstar Leif Ove Andsnes ist das Quintett für Marius Neset „wie Nachhausekommen“. Gleichzeitig ging es auf „Cabaret“ darum, die musikalischen Möglichkeiten dieser Besetzung noch tiefer auszuloten.Die fünf Musiker trafen sich in der malerischen Abgelegenheit des norwegischen „Ocean Sound Studios“, in welchem Marius Neset 2015 bereits sein Album „Pinball“ aufnahm. Und wie damals brachte Marius Neset Musik mit zur Session, bei der „jede einzelne Note genau für diese besonderen Musiker komponiert wurde“. Auch in der kleinen Besetzung denkt der Komponist Marius Neset in orchestraler Bandbreite. Die Kombination von gleich zwei Musikern an Tasteninstrumenten, dem zumeist auf die Melodie fokussierten Magnus Hjorth am akustischen Piano und Elliot Galvin an elektrischen Keyboards eröffnet „enorme Möglichkeiten“. Die neuen Stücke erweitern auch die rhythmische Umgebung und steigern die Herausforderungen an Bassist Conor Chaplin und Schlagzeuger Anton Eger (Neset: „der hingebungsvollste Musiker, den ich je traf“), der so viel Energie in die Musik einspeist, dass man damit eine Kleinstadt erleuchten könnte. Besonders deutlich wird dies im Stück mit dem rätselhaften Titel ‘Hyp3rsonic Cabar3t’. Die Ziffern verweisen auf einen 33/8 Beat, welcher dem Stück eine hypnotische Wirkung verleiht.Die Verbindung aus herausragenden Musikern und Nesets nie versiegendem Strom kompositorischer Ideen war die perfekte Basis für eine denkwürdige Zeit im Studio. „Cabaret ist das konzeptionellste Album, das ich je gemacht habe,“ sagt Neset. „Wenn man so etwas zusammenstellt, muss man ständig Entscheidungen treffen. Das ist wirklich fordernd“. Ein aufwändiger Prozess mit beeindruckendem Resultat. Nesets dichte, komplexe, dynamische Musik ist eine Achterbahnfahrt aus enorm kontrastreichen Songs. Viele Einflüsse klingen an, unter anderem Joe Zawinuls melodische und strukturelle Eigenarten und Spuren des koboldhaften Humors von Nesets früherem Mentor Django Bates. Aber unterm Strich bietet „Cabaret“ Neset pur, vom kompositorischen Detail bis zum virtuosen Saxophonspiel auf Tenor und Sopran bei dem melodisches Gespür auf ein Maß an technischem Können trifft, durch das es Neset mit jedem Spieler dieser Welt aufnehmen kann.Es steckt so viel unterschiedliche Musik in „Cabaret“ - vom verrückten Tanz der beiden Eröffnungsstücke, über den coolen Lyrismus von „Song for Maja“, den Überschwang der „Midsummer Beats“, bis zur Weite von „The Ocean“, der Energie von „Quantum Dance“ und der Wehmut von „Forgotten Ballet“. Das folkloristische „Wedding In Geiranger”, geschrieben für Nesets eigene Verlobung im letzten Sommer, schließt den Reigen. „Cabaret“ ist eine ereignisreiche und dramatische Reise, an deren Ende der Hörer mit Sicherheit gleich wieder neu starten möchte.Credits:Produced by Marius Neset & Anton Eger
All music composed and arranged by Marius Neset, except #4 and #9 – composed by Marius Neset & Anton Eger
Recorded by Henning Svoren at Ocean Sound, Giske in September 2024, mixed by August Wanngren at VirkelighedenMastered by Sofia von Hage and Thomas Eberger at Stockholm Mastering
Andreas Schaerer - Anthem For No Man´s LandCD / Vinyl / digital
Andreas Schaerer voice, mouth percussion, bass-synth
Luciano Biondini accordion
Kalle Kalima electric guitar
Lucas Niggli drums
Als Sänger hat man eine besondere Verantwortung. Denn mit der Stimme kann man sich nicht unsichtbar machen. Sie ist präsent, Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, ein Instrument, das direkt auf die Persönlichkeit verweist. Und außerdem produziert die Sprache Bedeutung. Jeder Text ist ein Anker, nahezu jede Aussage reicht über die Musik hinaus. Wer singt, muss daher vieles bedenken. „Eine Stimme kommt immer sehr direkt aus der Musik“, erzählt Andreas Schaerer. „Es gibt die Tendenz, dass Stimme, weil sie präsenter ist, einfacher zwischen Zuhörer und Musik vermitteln kann. Ich habe mich bewusst damit beschäftigt, wie ich mit der Stimme Musik oder ein Instrument begleiten kann. Es ist weniger schwer, begleitende Pattern zu finden, als zu erreichen, dass die Stimme sich nicht dauernd in den Vordergrund drängt. Selbst wenn du ganz leise Dinge machst, sie kommt einfach raus. Will man diese „traditionelle“ Rolle als Sänger erweitern, muss man das sehr bewusst gestalten.“ Die Schlagworte sind gefallen. Es geht um Präsenz, Vermittlung, Gestaltung. Denn der Schweizer Andreas Schaerer ist Sänger aus Leidenschaft. Wenn er singt, dann ist der ganze Körper Instrument, elastisch und tänzerisch. Er schlüpft in die Musik, nimmt Rollen ein, die sich aus den Klängen ergeben. Das ist ein ungewöhnliches Konzept und es weitet sich noch, wenn Andreas Schaerer auf Partner wie den Schlagzeuger Lucas Niggli, den Gitarristen Kalle Kalima und den Akkordeonisten Luciano Biondini trifft. Dann entsteht ein Quartett, das es schafft, Unterschiede produktiv zu verknüpfen: „Die Band gibt es seit 2016. Der Nukleus war das damals bereits bestehende Duo mit Lucas Niggli. Wir konnten uns nicht entscheiden, ob wir auf Dauer eher in eine elektronische oder in eine akustische Richtung gehen wollten. Geplant waren zwei Trios. Mit Kalle loteten wir die eine Richtung aus, mit Luciano die andere. Die Energie unter uns vieren war aber auf Anhieb so einmalig, dass ein Quartett daraus geworden ist. Und alle spielen wir auch sonst zusammen, also Duos in verschiedenen Kombinationen“. Diese besondere Chemie führt auch zu einem eigenen Tempo. Das erste Album des Quartetts A Novel Of Anomaly erschien 2018. Danach folgten über einhundert Konzerte, aber auch reichlich andere Projekte, die wie Hildegard lernt fliegen, Out Of Land, The Big Wig oder Evolution ihre Zeit beanspruchen. A Novel Of Anomaly hat sich daher sechs Jahre Raum gegeben, um mit „Anthem For No Man's Land“ an die ersten Experimente anzuknüpfen. Und die Musik wurde einerseits größer, andererseits offener. Denn Andreas Schaerer zieht sich weiter aus der ersten Reihe zurück, hinein in das Kollektive. Er verlässt die Sprache als Bedeutung, ohne auf den dramaturgischen Reiz des Gesprochenen zu verzichten. Was er singt, klingt bekannt, ist aber erfunden. Es weckt Assoziationen, sorgt so souverän für Sprachstimmungen, dass man beim beiläufigen Hören Englisch, Spanisch, Griechisch, Italienisch zu entdecken meint. Das ist kein Witz, sondern eine Philosophie und hat auch gesellschaftliche Aspekte: „Die Schnittstelle zwischen Sprache, Musik und Klang ist schon besonders spannend. Es hat mich schon immer interessiert, mit diesem Bruch zu spielen, wo sich Inhalt auflöst und Sprache nur noch Klang ist, trotzdem aber noch genug sprachliche DNA hat, um weiterhin als solche verstanden zu werden. Das ist fließend, ein spielerischer Ort. Auch Kinder sprechen ja viele Phantasiesprachen. Und bei diesem Album habe ich viel in diese Richtung überlegt. Einige Stücke funktionieren gut ganz ohne, andere aber wieder verlangen nach einer Sprache. Ich habe zuerst mit imaginärem Englisch oder Italienisch experimentiert, wo ich nur die Klangtemperaturen verwendet habe. Denn mir war schnell klar, dass „Anthem For No Man's Land“ eine freiere Sprache nutzen muss, die keiner Nation angehören. Es sind alles Worte, die es nicht gibt. Wenn man sie googelt, gibt es keine Treffer oder es kommt: ‚Meinten Sie …?‘“ Dazu passt die Musik. Alle Beteiligten lassen ihre Vorlieben ineinandergreifen. Mal klingt „Anthem For No Man's Land“ nach Prog Rock und dem psychedelischen Sound der Siebziger. Mal schwelgen die Klänge in der Italianita oder haben Tango-Elemente. Man findet Einflüsse westafrikanischer Rhythmen, alpenländischer Melodien. Kammerjazz mündet in eine raffinierte Form von Dada, die Vielfalt der Klänge und Motive passt zu den Bildern, die die imaginären Sprachen hervorrufen: „Ich finde den Titel „Anthem For No Man's Land eine“ schöne Idee, eine Hymne für ein Niemandsland oder ein Jedermenschensland“. Musik, die mehr kann, als beim Naheliegenden zu bleiben. Das passt zu dieser Band.Credits:
Produced by Andreas Schaerer, Kalle Kalima; Martin Ruch
#1 & 8 composed by Kalle Kalima, lyrics by Andreas Schaerer
#2 composed by Luciano Biondini
#3, 4 & 9 composed by Andreas Schaerer
#5 & 6 composed by Kalle Kalima
#7 composed by Lucas Niggli & Kalle Kalima
#10 composed by Luciano Biondini & Andreas Schaerer, lyrics by A. Schaerer
Recorded by Martin Ruch at Jazzanova Recording Studio in Berlin, May 28-30, 2024.
Mixed & Mastered by Martin Ruch
Assistant Engineer: Marian Hafenstein
The Art in Music: Cover art by Martin Noël (1956-2010), 2010, used by kind permission of Margarete and Cora Noël
Adam Bałdych- PortraitsCD / digital
Adam Bałdych violin, renaissance violin
Sebastian Zawadzki piano, upright piano
Marek Konarski tenor saxophone
Andrzej Święs double bass
Dawid Fortuna drums
Eindringlichkeit ist eine Herausforderung. Denn was man an den Klassikern so liebt – das Pathos und den Nachdruck im Ausdruck –, wirkt schnell übertrieben in der eigenen Welt. Adam Bałdych lässt sich trotzdem nicht beirren. Schließlich ist Intensität nicht nur eine Frage der Musik, die man spielt, sondern auch der Emotion, die man lebt. „Als ich an den Stücken arbeitete, waren Berichte von Menschen, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, Quelle meiner Inspiration,“ erzählt der polnischen Geiger und Komponist. „Das Thema fühlt sich für mich sehr wichtig an, im Angesicht der wachsenden Konflikte in Europa und in der Welt. Ich habe Zeitzeugenberichte von damals gelesen und ich wollte mich gegen das stellen, was Tausende heute wieder erleiden müssen. Ein Aufruf zum Frieden in der Welt. Es sind verschiedene, sehr emotionale Stücke entstanden, die versuchen, Menschen und Lebensbedingungen und die Zeit, in der wir leben, zu porträtieren. Es geht um Sorgen, aber auch um die unbeschreibliche Schönheit der Welt, die ich versuche, in meinen Klängen und in der Musik festzuhalten“.
Das hat etwas Spirituelles. „Portraits“ ist Klage, Gebet, Jubel und Überschwang. Es ist sehr menschlich im Bedürfnis, als Künstler einen Beitrag zur Diskussion zu leisten, auch wenn man als Instrumentalist keine Worte zur Verfügung hat. Sprachlos ist Adam Bałdych deshalb nicht, im Gegenteil. Seine Musik öffnet einen Erfahrungsraum, der über die Grenzen des Gesprochenen hinausreicht. Er ist ein Virtuose, ausgebildet in Katowice und am Berklee College, preisgekrönt und erfahren auf den Jazzbühnen der Welt. Aber er ist auch Teamplayer, der weiß, wie wichtig es ist, die eigenen Ideen in der Gemeinschaft wachsen zu lassen: „Als ich die Musik zur Bandprobe mitbrachte, haben wir zunächst viel Zeit damit verbracht, uns über die Instrumentierung und die Arrangements klar zu werden.“
„Es war ein wenig wie bei klassischer Musik, wir haben die Register der Instrumente angehört und nach dem passenden Raum dafür gesucht.“ erklärt Bałdych weiter. „Es war ein akribischer, nahezu chirurgischer Vorgang. Obwohl wir alle Improvisatoren sind und so viel wie möglich von unserer Natur in die Musik legen wollten, planten wir die Ausführung ungeheuer präzise, um die Freiheit zu bewahren und nichts von unseren Persönlichkeiten zu verlieren. Es war ein sehr inspirierender Prozess.“ So entstand ein Programm mit 15 Stücken, die diese Spannung von innen und außen, von Persönlichkeit und Gemeinsamkeit in den Mittelpunkt stellen. Adam Bałdychs Geigen leiten die Musik, sowohl das normal gestimmte Instrument, als auch die sonore Renaissance-Violine (ein Nach-bau-Unikat eines österreichischen Geigenbauers), die ihm holztönend tiefere Lagen öffnet. Sein langjähriges polnisches Quintett folgt ihm dabei mit freundschaftlicher Kraft: „Wir haben eine sehr ehrliche Beziehung zueinander, die auf dem Verständnis der Kultur und der Tradition basiert, mit der wir aufgewachsen sind. Und wir verstehen uns intuitiv, geben uns den Raum, Erzählungen zu entwickeln. Es ist wie eine polyphone Komposition, die sich aus vielen Stimmen zusammensetzt, jeweils einen Mitspieler in den Vordergrund lässt, und die anderen fungieren dann als Kontrapunkt. Jeder ist eine eigenständige Persönlichkeit, wir respektieren uns und zugleich die Musik als Ganzes, die wir entwickeln.“ So entsteht „Portraits“ als jazzmusikalisches Kraftfeld, nachdenklich und beglückend zugleich. Denn das Adam Bałdych Quintet kann auch ohne Worte eindringlich erzählen.Credits:
Music produced by Adam Bałdych & Mateusz Banasiuk Music composed by Adam Bałdych, except “Prelude” – composed by Sebastian Zawadzki Recorded between October 15th – 17th, 2023, at Boogie Town Studio, Poland
Sound engineer, mixing and mastering: Mateusz Banasiuk
Jakob Manz & Johanna Summer - CameoCD / Vinyl / digital
Johanna Summer piano
Jakob Manz alto saxophone & recorder Das Duo von Pianistin Johanna Summer und Saxofonist Jakob Manz ist ein seltener Glücksfall des jungen deutschen Jazz: Zwei seiner herausragenden Charaktere, virtuos, mutig, mit weitem Horizont, unverwechselbarer Handschrift und einem Verständnis von Jazz als Mittel zum Erzählen neuer, persönlicher Geschichten. Beide sind tief im Jazz-Idiom verwurzelt, erweitern es aber um ihre individuellen Prägungen. Für Johanna Summer ist das besonders die klassische Musik. Mit ihren freien Improvisationen über Bach bis Ligeti tritt sie regelmäßig in großen klassischen Häusern auf - solo und mehrfach im Duo mit Igor Levit. Jakob Manz wiederum vereint auf mitreißende Weise die melodische und rhythmische Kraft des Pop mit der Sensibilität des Jazz - beeinflusst von seiner tiefen Verehrung für Pop-Jazz-Grenzgänger wie David Sanborn oder Marcus Miller sowie jüngst als Special Guest von Sarah Connor auf den größten Bühnen des Landes.Jazz, Pop, Klassik, Improvisation, Komposition - all diese Elemente destillieren Johanna Summer und Jakob Manz auf ihrem zweiten gemeinsamen Album „Cameo“ in das kleinstmögliche Format musikalischer Interaktion: das Duo. Repertoire und Konzept des von Andreas Brandis produzierten Albums unterscheiden sich deutlich von denen des Vorgängers „The Gallery Concerts I“. Johanna Summer erklärt: „Wir wollten dieses Mal Musik schreiben und auswählen, die nicht von jedem gespielt werden können, sondern besonders zu Jakob und mir passen. Auf dem ersten Duo-Album spielen wir Standards und Klassiker, sehr spontan und live. Diesmal haben wir uns die Stücke gegenseitig auf den Leib geschneidert.“ Die Bandbreite der Eigenkompositionen spiegelt die ihrer Protagonisten wider, vom innigen Opener „The Opposite“ über das rasante „The Turmoil“ (mit Jakob Manz virtuos an der Blockflöte) bis zur Soul getränkten Ballade „The Endless Dream“.Zu den acht Originalkompositionen kommen drei außergewöhnliche Bearbeitungen: „Im Schönsten Wiesengrunde“ ist ein Volkslied aus der schwäbischen Heimat von Jakob Manz, welches ihn seit seiner frühsten Kindheit begleitet. „Mahler Neu(n)“ basiert auf dem 4. Satz aus Mahlers 9. Symphonie – für Johanna Summer ein sehr vertrautes Stück mit „fast schon Pop-Songartiger Qualität“, wie sie sagt. Das trifft auch auf Herbert Grönemeyers „Flugzeuge im Bauch“ zu, wobei sich die Interpretation dieses Stücks als besondere Herausforderung entpuppte. Mit der Art auf die sich Manz und Summer behutsam tastend um das im Original sehr kantige, mehr gesprochene als gesungene Thema herumbewegen gelingt, woran viele Jazz-Bearbeitungen von Popsongs scheitern: Es fügt dem Song eine wirklich neue Ebene hinzu.Überhaupt liegt der besondere Zauber des Duos von Summer und Manz im gemeinsamen Suchen und Finden von neuer Musik, dem Einander-Zuhören und Aufeinander-Reagieren und der Art, wie sich die beiden zugleich so verschiedenen wie einander nahen Protagonisten ergänzen und immer wieder gegenseitig überraschen. Jakob Manz sagt: „Immer, wenn Johanna improvisiert, passiert etwas krass anderes, das man so nicht erwartet. Ihre Soli wirken oft wie komponiert, sind aber tatsächlich immer anders, entstehen stets aus dem Moment heraus. Es gibt ganz wenige Musiker:innen, die das so beherrschen. Das fordert mich immer wieder heraus.“ Und Johanna Summer erwidert: „Ich finde es beeindruckend, wie unendlich musikalisch Jakob ist. Alles, was er spielt, ist unglaublich nachvollziehbar und stark. Selbst wenn es sehr komplexe Dinge sind ist das nie Selbstzweck, sondern immer eingebunden in etwas, dass total Sinn ergibt und sehr klar ist. Es ist eine Klarheit, die sehr menschlich, musikalisch und nachvollziehbar ist. Und es beeindruckt mich, wie Jakob, unabhängig von äußeren Umständen auf den Punkt abliefern und alles aus sich herausholen kann. Er ist immer zu 100% da.“Auch wenn man sich über die persönlichen Biografien und Einflüsse dem nähern kann, was das Duo von Johanna Summer und Jakob Manz ausmacht, lässt sich sein besonderer Reiz eher erfühlen als erklären. Vieles passiert in dieser Musik aus irgendeinem magischen Grund im Einklang, obwohl es bis einen Bruchteil einer Sekunde vorher nicht absehbar war. Das zeugt von der großen Wachheit und Sensibilität der beiden. Jakob Manz sagt: „Wenn ich mit Johanna im Duo spiele funktionieren viele Gewohnheiten, die ich im Zusammenspiel mit anderen Musiker:innen entwickelt habe schlicht nicht mehr. Ständig kann etwas Neues passieren, man muss immer wahnsinnig wach bleiben. Das ist sehr inspirierend!“ Die besondere Magie dieses musikalischen Dialogs überträgt sich beim Zuhören. Man staunt über die Gleichzeitigkeit von Freiheit und Klarheit, über die Art, auf die zwei sehr verschiedene Charaktere zugleich behutsam und selbstbewusst miteinander interagieren - und über die farbenreiche, lebendige, tief empfundene Musik, die so entsteht. Ein seltener Glücksfall eben. Credits:
Music composed by Johanna Summer & Jakob Manz, except #4 (traditional), #7 (Herbert Grönemeyer) and #9 (Gustav Mahler)
Produced by Andreas Brandis Recorded by Emanuel Uch from July 31 to August 1 at the ACT Gallery in Berlin, Germany Mixed and mastered by Emanuel Uch
Julian & Roman Wasserfuhr - Safe PlaceCD / Vinyl / digital
Julian Wasserfuhr trumpet & flugelhorn
Roman Wasserfuhr piano, bass & drums (#10)
Jörg Brinkmann cello
Paul Heller saxophone (#6 & #7)
„Zuerst war ‚Safe Place‘ nur ein einzelner Song, aber Roman und ich haben dann schnell gemerkt, dass es auch der Titel der ganzen Platte sein muss, weil er das Gefühl und die Intention hinter der Musik so gut beschreibt“, sagt Julian Wasserfuhr. Das Album „Safe Place“ vereint Musik, in der man sich zuhause fühlt. Zuhause meint hier weniger einen konkreten Ort, als vielmehr eine Vorstel-lung - von Vertrautheit, Wärme, Selbstbesinnung. Und das Album, das für die Brüder Julian und Roman Wasserfuhr ihr 20-jähriges Jubiläum mit ACT markiert, ist eine Gelegenheit zur Besinnung auf das Wesentliche: Klare Melodien, in warmen Farben gemalte, stimmungsvolle musikalische Bilder und so präzises wie leichtes Zusammenspiel. Die Vorstellung von „Zuhause“ steht für die Brüder Wasserfuhr auch für Beziehungen zu wichtigen Menschen. Zuallererst natürlich für ihre eigene, unzertrennliche, im Leben wie in der Musik. Aber auch für musikalische Freundschaften wie die zum Cellisten Jörg Brinkmann, mit dem schon das Vorgängeralbum „Relaxin‘ in Ireland“ entstand. Brinkmann klickte seinerzeit unmittelbar mit der „kleinsten Form einer Band“, wie Julian und Roman ihr gemeinsames Duo nennen. Es war der Beginn einer langen Zusammenarbeit, Erlebnisse wie eine gemeinsame Mittelamerika-Tour schweißten weiter zusammen und so lag es nahe, auch das aktuelle, sehr familiäre Album erneut, um die Farben des Cellos zu erweitern. Neben Cellist Jörg Brinkmann, gesellt sich für zwei Stücke ein weiterer Gast zu dem eingespielten Trio, Saxophonist Paul Heller. „Paul hat einfach eine faszinierende Art, zu spielen“, so Roman. „Die Zusammenarbeit mit ihm war tatsächlich zunächst ein Experiment, da unsere Musik ja eher kammermusikalisch ist und er eher in größeren Besetzungen spielt. Aber gerade in der Verbindung mit Jörg war das eine wunderbare Sache.“Auch wenn „Safe Place“ eher abstrakt zu verstehen ist, ist die Musik nicht unberührt vom konkreten Weltgeschehen der letzten Jahre. „Natürlich spielt das eine Rolle.“, so Julian Wasserfuhr. „Die Art und Weise, auf die Menschen miteinander umgehen und miteinander kommunizieren, hat uns schon in der Vergangenheit sehr beschäftigt. Aber gerade die aktuelle Zeit mit ihren Konflikten und Widersprüchen macht uns nachdenklich – über die Welt, aber auch über uns selbst.“ So ist „Safe Place“ zu einem ausgesprochen persönlichen, emotionalen Album geworden. Es scheint, als spiegelten sich die großen Dramen und Erlösungen der Welt für Julian und Roman Wasserfuhr im Kleinen und Nahen: In einem sanften, warmen Wind, „Vent Chaud“, mit dem die Platte beginnt, in Träumen wie auf „Dodo“, angelehnt an das Fran-zösische „faire dodo“, eine kindlich-liebevolle Formulierung für „Schlafengehen“. „Luzifer“ beschreibt Julians Sorge um sei-nen erkrankten Kater, während „El Caballo Valiente“ von dem Lebenswillen und Lebensmut eines gestürzten Pferdes erzählt. „Solitude“ hingegen ist geprägt von der Isolation und Einsamkeit der Corona-Pandemie. Mit Stings „Fields of Gold“ findet sich auch eine Fremdkomposition auf dem Album. Roman sagt: „Wir haben schon öfter Musik von Sting gecovert. Und gerade „Fields of Gold“ ist einfach ein wundervoller Song, beschreibt einen solch schönen Ort, dass er für uns auch ein ‚Safe Place‘ ist“.Die letzten beiden Tracks des Albums, „Safe Place“ und „Perfect Tiny Moment“ spiegeln noch einmal die Essenz des Albums wider: „‘Safe Place‘ ist zunächst auf der Gitarre entstanden, obwohl ich gar keine Gitarre spielen kann“, erzählt Julian. „Ich bin mit dieser ersten Idee zu Roman gegangen, der sie dann ausgearbeitet hat.“ Den Song haben die beiden im vergangenen Jahr dann gemeinsam mit der WDR Big Band gespielt und dann auch in der kleinen Besetzung mit Jörg Brinkmann ausprobiert. „Es ist bis heute der Song der Platte, den wir am liebsten auf der Bühne spielen. Wenn man so will, ist er der absolute ‚Safe Place‘ von uns Dreien.“ Mit dem minimalistischen „Perfect Tiny Moment“ wird genau das auch ausgedrückt: Der eine kleine Moment, in dem alles per-fekt zu sein scheint, wenn einfach alles stimmt.
Lars Danielsson - Palmer Edition II: TrioCD / Vinyl / digital
Lars Danielsson double bass & cello
Verneri Pohjola trumpet
John Parricelli guitar
Edition Palmer die Zusammenarbeit zwischen ACT und Château Palmer, begann 2023 mit einer bedeutenden Veröffentlichung: DUO war ein intimes musikalisches Gespräch zwischen Joachim Kühn und Michael Wollny, zwei der unbestrittenen Größen des europäischen Jazzpianos. Die Aufnahme wurde international gefeiert: „Der Tagesspiegel“, eine der renommiertesten deutschen Tageszeitungen, schrieb: „Das Duo von Michael Wollny und Joachim Kühn ist ein alchemistisches Wunder. Sie teilen einen Geist der Improvisation, der Introspektion und Ausdruck, Vorfreude und Schweiß verbindet.“ Die führende französische Publikation Jazz Magazine lobte „eine tiefe Verbindung von extremer Sensibilität“. Während die Musik für die erste Edition Palmer live in der Alten Oper in Frankfurt aufgenommen wurde, entstand die zweite Veröffentlichung im Château Palmer selbst. Ein „Salon“ im Schloss diente als exklusiver Aufnahmeschauplatz für eine Reihe hochkarätiger Musiker von Weltrang. Auf TRIO spielen der renommierte Bassist, Cellist und Komponist Lars Danielsson sowie zwei Jazzgrößen aus dem Norden: der finnische Trompeter Verneri Pohjola und der britische Gitarrist John Parricelli. Der Hörer wird den genius loci, die Ruhe und Intimität des Aufnahmeortes genießen. Dieses Album erweckt nicht nur die ursprüngliche Idee der Zusammenarbeit zwischen ACT und Château Palmer auf eine spürbar aufregende und passende Weise zum Leben, sondern fängt auch die Magie ein, die entsteht, wenn einzigartige Künstler in einer einmalig schönen und besonderen Umgebung zusammenkommen.Credits:
Produced by Andreas Brandis In cooperation with Chateau Palmer
The Art in Music: Cover art by Mark Harrington
Anlässlich seines 80. Geburtstags veröffentlicht der weltweit renommierte Jazzpianist Joachim Kühn ein faszinierendes Songbook, dass die Essenz seiner Karriere einfängt. Geboren am 15. März 1944 in Leipzig, hat Kühn seit den 1960er Jahren die Jazzszene geprägt und gilt als einer der herausragendsten Musiker des zeitgenössischen Jazz. Im April wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet – eine Anerkennung für seine erstklassige Musik und sein unermüdliches Streben nach künstlerischer Freiheit. Kühn, ein Meister der Improvisation, hat sich stets gegen gesellschaftliche Engstirnigkeit ausgesprochen. Seine Entscheidung, professioneller Jazzmusiker zu werden, fiel bereits im Alter von 14 Jahren und ist der Grundstein seiner außergewöhnlichen Laufbahn.In diesem Songbook präsentiert Kühn eine sorgfältige Auswahl an Kompositionen, die seine musikalische Reise widerspiegeln. Von den lebhaften Klängen eines „More Tuna“ bis hin zu den nachdenklichen Harmonien von „Mein Bruder Rolf“, Joachims Kühns Hommage an seinen verstorbenen Bruder – jede Note erzählt von seiner Leidenschaft und seinem tiefen Verständnis für die Jazzgeschichte. Viele Fotos des großartigen Künstlers runden das Gesamtbild ab.Egal, ob Sie ein erfahrener Pianist oder ein begeisterter Anfänger sind, dieses Songbook bietet Ihnen die Möglichkeit, in die Klangwelt einer der größten Jazzpianisten einzutauchen. Lassen Sie sich von Joachim Kühns musikalischem Erbe inspirieren und erleben Sie die Magie des Jazz durch seine eigenen Kompositionen. Holen Sie sich Ihr Exemplar und feiern Sie mit uns eine bemerkenswerte Karriere voller Kreativität und Emotionen!
Al Jarreau & NDR Big Band - EllingtonCD / Vinyl / digital
Al Jarreau
NDR Bigband
Trumpets & Flugelhorns / Thorsten Benkenstein, Ingolf Burkhardt, Nicolas Boysen, Reiner Winterschladen
Saxophones / Fiete Felsch, Björn Berger, Christof Lauer, Frank Delle, Tini Thomsen
Trombones / Dan Gottshall, Günter Bollmann (26 November), Klaus Heidenreich (29 November),Stefan Lottermann, Ingo Lahme
Tuba / Ingo Lahme
Piano, Rhodes / Hans Vroomans
E+A Guitar / Peter Tiehuis
E+A Bass / Christian Diener
Drums / Wolfgang Haffner
Conductor & arranger / Jörg Achim Keller
Vocal arranger / Joe Turano
Al Jarreau bezeichnete seinen Stil selbst gerne als „Al-Jarreau-Musik“. Zu Recht, denn ohne Zweifel war er selbst ein Unikat. Sechsmal wurde er mit einem Grammy ausgezeichnet, neunzehnmal als „Bester Sänger“ nominiert – und das in drei verschiedenen Genre-Kategorien, Jazz, Pop und R’n‘B. Dies zeigt eindrucksvoll, wie wenig Bedeutung Kategorien und Genregrenzen für ihn hatten. „Musik mag für andere Menschen in Schubladen passen und das kann ich schon verstehen“, sagte er einmal. „Aber für mich gilt: Wenn mir ein Song gefällt, muss ich ihn einfach singen, so einfach ist das. Wenn Du zu meinen Konzerten kommst, setze ich mich auf Deine Schulter und flüstere Dir ins Ohr. Ich öffne Deine Seele und gehe mit Dir durch viele Türen.“ Diese Bildhaftigkeit seiner Sprache zeugt von der großen Vorstellungskraft und stimmlichen Virtuosität, mit der Al Jarreau seine Songs in immer neue, unerwartete Richtungen lenkte. „Wenn es eine Basis für das gibt, was ich tue, dann ist es die Sprache des Jazz“, erklärte er. Musik, Klang und Rhythmus – all das war stets Teil von Al Jarreaus DNA, floss scheinbar mühelos durch ihn hindurch. Dabei begann seine Karriere relativ spät. Geboren wurde er 1940 in einer musikalischen Familie, studierte aber zunächst Psychologie und Soziales. Doch die Musik ließ ihn nie los. Ende der 1960er-Jahre schloss er sich einem Trio unter der Leitung des Pianisten George Duke an. Mit harter Arbeit und unermüdlichem Einsatz strebte er danach, das Singen zu seinem Beruf zu machen und trat in den Nachtclubs von Los Angeles, wie „Dino's“ und dem legendären „Troubadour“ auf. Dort entdeckte schließlich Siggi Loch, damals ein einflussreicher Manager bei Warner Brothers Records (WEA), das Ausnahmetalent Al Jarreau. „1974 erlebte ich Al zum ersten Mal im Troubadour und seine Stimme sowie seine Bühnenpräsenz zogen mich sofort in ihren Bann“, erinnert sich Loch. „Am nächsten Tag ging ich zu Mo Ostin, dem Präsidenten von Warner Bros. Records, um ihn zu überzeugen, Al unter Vertrag zu nehmen.“ Nach anfänglichem Zögern erhielt Loch grünes Licht und 1975 erschien Jarreaus Debütalbum „We Got By“. „Ich holte Al nach Deutschland, noch bevor er in den USA bekannt wurde“, erzählt Loch. „Er spielte drei Abende im legendären Hamburger Club „Onkel Pö“, nach dem ersten Auftritt war er das Gespräch der Stadt und ich konnte Michael Naura, den damaligen Jazz-Chef des NDR, überzeugen, den dritten Abend im Fernsehen zu übertragen.“
Diese TV-Sendung machte Al Jarreau über Nacht in Deutschland berühmt und fortan eroberte er die Herzen des deutschen Publikums im Sturm. Nur wenige Tage später konnte Al Jarreau mit Hilfe seines langjährigen Freundes und legendären Konzertveranstalters Karsten Jahnke die heutige Laeiszhalle in Hamburg ausverkaufen und wenig später erhielt das Album „We Got By“ erhielt den bedeutenden „Deutschen Schallplattenpreis“. Das Nachfolgealbum „Glow“ (1976) fand ebenfalls großen Anklang in Europa und wurde erneut mit dem „Deutschen Schallplattenpreis“ ausgezeichnet.
In den USA hingegen blieb der Erfolg aus. „Das Album war eher auf ein Smooth-Jazz-Publikum ausgerichtet“, erinnert sich Siggi Loch. „Es zeigte Al Jarreau nicht in der Intensität, die er vor einem Live-Publikum entwickelte. Daher drängte ich darauf, dass sein nächstes Album eine Live-Aufnahme sein musste.“ Mo Ostin stimmte widerwillig zu und so entstand „Look to the Rain-bow“, welches in Europa ein großer Erfolg wurde. „Als es schließlich in den USA erschien, war es auch dort Als Durchbruch und brachte ihm seinen ersten Grammy ein. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass seine Karriere vor allem in Deutschland ihren Anfang nahm“, resümiert Loch. Die seit den Hamburger Anfängen bestehende enge Verbindung zwischen Al Jarreau und dem NDR inspirierte vier Jahrzehnte später schließlich den Chefdirigenten der NDR Bigband, Jörg Achim Keller, zu einer besonderen Zusammenarbeit. „Schon seit den frühen 2000er Jahren träumte ich davon, eine Produktion mit Al und der Musik von Duke Ellington zu verwirklichen“, erzählt Keller. „Als wir uns endlich begegneten, war Al sofort begeistert von der Idee.“ Keller erstellte eine Auswahl von etwa hundert Ellington-Stücken. „Wir haben die Liste gemeinsam durchgearbeitet und es war eine Sache von ‚Das passt zu mir‘ oder ‚Lass uns das hier als einen alten Gutbucket Blues spielen‘“, wie Jarreau später sagte und weiter erläuterte: „Mir war es wichtig, mich in der Musik wiederzufinden und vielleicht eine neue Sichtweise auf Ellingtons Werk zu bieten, damit die Menschen die Musik auf eine neue Art erleben konnten.“ Bei den Arrangements achtete Keller darauf, Jarreaus eigene Ansätze zu respektieren und ihm genügend Freiraum zu lassen. Und Stücke wie „I'm Beginning to See the Light“ und „I Got It Bad (and that Ain't Good)“ geben auch den Solisten der NDR Bigband Raum, ihre Virtuosität zu entfalten. „Diese Musiker sind hochintelligente, großartige Solisten, die mit den Besten der Welt mithalten können“, erklärte Jarreau damals. „Sie fordern mich heraus und ich liebe diesen Druck, weil er mich dazu bringt, wie ein echter Sänger zu klingen!“ Auf Initiative der Karsten Jahnke Konzertdirektion, gingen Jarreau und die NDR Bigband Ende 2016 mit dem Ellington-Programm auf Tour. „Während der Tournee haben wir bei jedem Konzert weiter an Feinabstimmungen gearbeitet“, erzählt Jörg Achim Keller mit einem Lächeln. „Al liebte es, diese Balladen zu singen – jede auf eine andere, ganz eigene Art und Weise. Be-sonders am Herzen lag ihm ‚Come Sunday‘. Dieser Song wurde zweimal überarbeitet, bevor Al endlich zufrieden damit war. Bei einigen Stücken entschied er sich für einen reinen Balladenstil, wie bei ‚I Got It Bad (and that Ain't Good)‘, während andere Titel, wie ‚Lush Life‘ und ‚Come Sunday‘, eine Pop- oder R&B-Note erhielten. Und Al liebte dieses alte Gutbucket-Blues-Gefühl bei ‚I Ain't Got Nothing but the Blues‘“.
Rückblickend meint Jörg Achim Keller: „Al Jarreaus einzigartiger Stil und seine Persönlichkeit hielten das ganze Programm zusammen. Es war eine wundervolle Verbindung aus seiner und Ellingtons musikalischer Meisterschaft und das Publikum in ganz Europa war begeistert.“ Auch Siggi Loch, der eines der Konzerte in Paris miterlebte, teilt diese Einschätzung: „Es war offensichtlich, dass Al es wirklich genoss, diese Musik zu performen. Er tat es mit solcher Energie und so viel Ge-fühl, dass es eine wahre Freude war, ihm zuzuschauen und zuzuhören.“ Nur wenige Monate nach der Tournee, am 12. Februar 2017, starb Al Jarreau im Alter von 76 Jahren.
In vielerlei Hinsicht schließt sich mit der Veröffentlichung von „Ellington“ ein Kreis: Dadurch, dass Jarreaus letztes Album bei ACT erscheint - dem Label, das von Siggi Loch gegründet wurde, der einst die Weichen für seine internationale Karriere stellte. Auch dadurch, dass das Album in Zusammenarbeit mit dem NDR entstanden ist – dem Sender, der Al Jarreau einst in Deutschland über Nacht berühmt machte. Und schließlich auch, weil es, wie einst „Look to the Rainbow“, Al Jarreaus besondere Live-Magie transportiert und für immer festhält. Stuart NicholsonCredits:
Executive Producers NDR: Axel Dürr, Stefan Gerdes, Michael Dreyer
Recorded during the European tour, Karsten Jahnke JazzNights, 31 October – 01 December 2016
Recorded at Paradiso in Amsterdam, Netherlands, on 26 November 2016 and at the Opéra Garnier in Monte Carlo, Monaco, on 29 November 2016
Recorded by Stephan Leppkes and Jens Kunze Recording Producer NDR: Oliver Bergner Mixed by Oliver Bergner, Sven Kohlwage and Marc Schettler
Mastered by Klaus Scheuermann
Die beliebte Zusammenstellung "Magic Moments", kuratiert von Siggi LochTrackliste:
01 Elevation of Love // Album: e.s.t. 30
Magnus Öström, Dan Berglund, Magnus Lindgren, Joel Lyssarides, Verneri Pohjola, Ulf Wakenius 02 Second Nature // Album: Life Rhythm
Wolfgang Haffner03 Raw // Album: raw
Nils Landgren Funk Unit 04 The Answer // Album: The Answer
Jakob Manz 05 Shots // Album: Bloom
Bill Laurance 06 Das Handtuch // Album: Tough Stuff
Iiro Rantala 07 She’ll Arrive Between 10 & 11 // Album: Guitar PoetryMikael Máni 08 Terrible Seeds // Album: While You Wait
Little North 09 Se Telefonando // Album: Ennio
Grégoire Maret, Romain Collin 10 Wonderland // Album: Wonderland
Daniel García Trio 11 Fresu // Album: Inner Spirits
Jan Lundgren, Yamandu Costa 12 Hands Off // Album: Stealing Moments
Viktoria Tolstoy 13 Hidden Prelude // Album: What the Fugue
Florian Willeitner 14 Pralin // Album: Let Them Cook
Emile Parisien 15 My Brother Rolf // Album: Komeda
Joachim Kühn 16 Passacaglia // Album: Passacaglia
Adam Bałdych, Leszek Możdżer 17 Linden Tree Rag // Album: Rag Bag
Bernd Lhotzky 18 Zafeirious Solo // Album: Arcs & Rivers
Joel Lyssarides, Georgios Prokopiou
Nesrine - Kan Ya MakanCD / Vinyl / Digital
Nesrine vocals, cello
Vincent Huma guitar
Grégoire Musso bass, keyboards
Anissa Nehari percussion
Rhani Krija percussion
Paco Soler trombone
Die franko-algerische Sängerin, Cellistin und Songschreiberin Nesrine ist eine ‚Scheherazade‘, eine Geschichtenerzählerin, unserer Zeit. Und ihr Album „Kan Ya Makan“, arabisch für „es war einmal“ so etwas wie eine moderne Geschichtensammlung aus Tausendundeine Nacht. Die britische TIMES nennt Nesrine „ein leuchtendes, multilinguales Talent“, die SZ konstatiert: „Nesrine demonstriert, welche Schönheit aus Freiheit entstehen kann.“ Ihre Songs in arabischer, französischer und englischer Sprache sind die Essenz einer bewegten persönlichen Biografie - zwischen Algerien, dem Herkunftsland ihrer Familie, und ihrer aktuellen Heimat Paris. Auch sind Nesrines kunstvolle, facettenreiche Songs das Spiegelbild ihrer vielfältigen musikalischen Laufbahn: Sie spielte als klassische Cellistin unter anderem in Daniel Barenboims East-Western Divan Orchestra und im Orchester der Oper von Valencia unter Lorin Maazel und trat als Gaststar mit dem Cirque de Soleil. Die Sicherheit einer Karriere als klassische Orchestermusikerin gab sie zugunsten ihrer Solo-Laufbahn auf – mit Erfolg: Sie spielt regelmäßig in Philharmonien, Konzertsälen und auf Festivals in ganz Europa und den USA und veröffentlichte bislang zwei international vielbeachtete Alben auf ACT. Anfang 2024 erschien zudem eine digitale EP, bei der Nesrine ihre Musik gemeinsam mit dem renommierten Metropol Orkest spielt.Nesrines bisherige Alben, Ahlam mit dem Trio NES (2018) und ihr Solo-Debüt Nesrine (2020) zeichneten eher eine Außensicht. Kan Ya Makan zoomt nun näher heran: „Bei meinen früheren Alben ging es mehr um meine Sicht auf die Welt.“ sagt Nesrine „In diesem geht es um meine persönliche Geschichte. Viele der Stücke handeln von engen Beziehungen zwischen mir und anderen Menschen. Aber auch von mir selbst. In „Dunia“, arabisch für „Leben“, erzähle ich meine ganze Lebensgeschichte, von der Kindheit bis zum heutigen Tag.“ Dabei wird deutlich, wie eng die so unterschiedlichen musikalischen und persönlichen Einflüsse Nesrines inzwischen zu einer Einheit geworden sind. So singt sie zum ersten Mal auch innerhalb desselben Songs in zwei verschiedenen Sprachen, Arabisch und Französisch. Sie sagt: “Ich glaube fest an diese Art von Verschmelzungen und an die Möglichkeiten, die sie eröffnen. Es ist eine echte Reflektion meiner Selbst und eine Befreiung. Ich muss mich nicht für eine Seite entscheiden, ich kann einfach beides sein.“ Diese Verbindung aus scheinbaren Gegensätzen setzt sich in der Musik fort. So zitiert der Cello-Part des Songs „Bonnie & Clyde“ das Präludium der Cello Suite No. 1 von Johann Sebastian Bach, an anderer Stelle stehen Referenzen an Serge Gainsbourg zusammen mit arabischen Rhythmen; stilsicher und punktuell eingesetztes Autotune-Gesangspassagen fügen sich in sich komplex überlagernde Cello-Patterns. Überhaupt benutzt Nesrine ihr klassisch geprägtes Instrument auf die unterschiedlichsten Arten, kreiert Basslinien, Flächen, Arpeggios, Melodielinien – und schichtet diese zu kunstvollen Gebilden von komplexer Klarheit. „Das Cello ist mein ständiger Begleiter.“ erklärt Nesrine. „Es bildet normalerweise den Ausgangspunkt beim Komponieren; alles andere baut darauf auf. Nur manchmal habe ich eine Gesangs-Melodie im Kopf und hole dann erst das Cello hinzu.“ Trotz der Komplexität ihrer Musik ist das Schreiben für Nesrine zuallererst ein sinnlicher, intuitiver Prozess: „Es ist, als würde man eine Information festhalten, die bereits existiert. Ich schreibe nicht viel Musik. Was immer ich schreibe, ist einfach da und das war's. Für das aktuelle Album hatte ich nur diese neun Songs. So arbeite ich immer, mein ganzer Arbeitsprozess ist sehr fokussiert.“ Zusammen mit ihren Produzenten und Mitmusikern Vincent Huma und Grégoire Musso hat Nesrine ihre Ideen in kompakte, drei bis vier Minuten-Formate destilliert. Dazu kamen Freunde und Freundinnen wie Rhani Krija und Anissa Nehari an der Percussion, Posaunist Paco Soler – und die Cellistin und Sängerin Juliette Saumagne, ihr weiblicher Clyde im Song „Bonnie & Clyde“. Auch wenn Nesrine in den Songs auf „Kan Ya Makan“ vor allem über sich, ihr Leben und ihre persönlichen Verbindungen zu anderen Menschen und Dingen erzählt, vermittelt das Album doch auch ihre Sicht auf die Welt und unsere Zeit: „Wenn mein Großvater nicht irgendwann Algerien verlassen hätte und nach Frankreich gekommen wäre, wäre ich heute nicht der Mensch der ich bin, würde ich nicht Musik machen, die ich mache. Ich möchte meine Zuhörer fühlen lassen, dass es nicht in erster Linie ein Problem ist, wenn Menschen von einem Land in ein anderes ziehen - sondern eine schöne Sache. In den aktuellen politischen Debatten zu geht nur um Extreme. Ich glaube nicht, dass uns das weiterbringt. Was mir Zuversicht und Kraft gibt, sind die Menschen, die meiner Musik und meinen Geschichten zuhören. Wir sehen nur, was wir auch sehen wollen. Und ich möchte Menschen mit meiner Musik die Augen öffnen.“ Im Titelstück singt sie: Kan Ya Makan….es war einmal: Liebe, Kunst und Schönheit.
„Mit Nesrine hören wir die Schönheit der Welt.“ (André Manoukian, Radio France)Credits:
Produced by Nesrine, Grégoire Musso, Vincent Huma
Joachim Kühn French Trio - The WayCD / Vinyl / digital
Joachim Kühn piano
Thibault Cellier double bass
Sylvain Darrifourcq drums
Jede neue Band im Schaffen von Joachim Kühn markiert einen neuen Abschnitt und erweitert den Horizont. Mit dem Kontrabassisten Thibault Cellier und dem Schlagzeuger Sylvain Darrifourcq hat er zwei Gleichgesinnte gefunden, mit denen er genau das realisieren kann, worauf es ihm in dieser Phase seines Schaffens, rund um seinen 80. Geburtstag, ankommt: Auf dem Weg zu noch mehr musikalischer Freiheit voranzuschreiten. Das Spiel mit den beiden Jüngeren beschreibt Joachim Kühn als Musizieren "auf französische Art, mit Leichtigkeit, Schnelligkeit und Eleganz". Zu dritt gelingt ihnen das intuitiv, fast ohne Absprachen und mit großer Eindringlichkeit.
Die Vorgeschichte ist schnell erzählt. Sylvain Darrifourcq war Joachim Kühn seit längerem als Schlagzeuger des Quartetts von Émile Parisien vertraut, auch durch gemeinsame Spielerfahrungen. Zur Begegnung mit Thibault Cellier kam es eher zufällig in einem Pariser Hotel. Doch Thibault war für Joachim kein unbeschriebenes Blatt. Er schätzte dessen Spiel mit Sylvain in der Gruppe "Novembre", von der er eine Platte gehört hatte. Die Kontakte waren schnell gemacht. Vier Monate später standen die beiden Franzosen im heimischen Studio des Pianisten auf Ibiza, um gänzlich frei von Zwängen im Trio zu musizieren und aufzunehmen. Als Joachim Kühn wenig später die Tapes hörte, sagte er: Das ist so, wie ich jetzt klingen will. Mit anderen Worten: The band was born. Das Spiel mit Klaviertrios durchzieht die musikalische Biografie von Joachim Kühn seit sechs Jahrzehnten. Neben dem Solo ist und bleibt es die Königsklasse für einen Pianisten. Bereits mit dem ersten, 1964 in seiner Heimatstadt Leipzig formierten Trio machte er seinen Anspruch manifest, Jazzgeschichte mitschreiben zu wollen. Seit er Ende der sechziger Jahre nach Paris zog, hat er häufig mit französischen Musikern zusammengearbeitet. Die 1974 entstandene und über zweieinhalb Jahrzehnte hocherfolgreiche Spielvereinigung mit dem Bassisten Jean-François Jenny-Clark und dem Schlagzeuger Daniel Humair demonstrierte eine innovative und total interaktive Musik, wie man sie bis dahin noch nicht gehört hatte. Joachim Kühn nennt diese Band "das Trio meines Lebens". Doch auch danach gab es erstaunliche Entwicklungen und Entdeckungen. Im Trio mit dem marokkanischen Guembri-Spieler Majid Bekkas und dem spanischen Perkussionisten Ramón López gelang der Brückenschlag zwischen Jazz, europäischen, afrikanischen und arabischen Kulturen. Und das New Trio mit dem Kontrabassisten Chris Jennings sowie dem Schlagzeuger Eric Schaefer faszinierte mit einem klar konturierten und weithin offenem Spiel. Joachim Kühns neues French Trio knüpft in gewisser Weise an das mit Jean-François Jenny-Clark und Daniel Humair an. Doch die Geschichte wiederholt sich nicht. Und auch der Free Jazz, wie ihn Joachim Kühn versteht, ist längst den Kinderschuhen entwachsen. Heute, sagt der Pianist, gehe es gleichermaßen um Freiheit und spontanes Strukturieren. Um das Essentielle, wie bei allen großen Vorbildern, besonders in deren späten Schaffensphasen. So bei Bach, bei Coltrane, bei Ornette Coleman und bei Joachims Bruder Rolf Kühn. Es ist immer ein Weg, der zum Wesentlichen führt und ins Freie. Credits:
Produced by Joachim Kühn
The Art in Music: Cover Art von Stanley Whitney
Bill Laurance & Michael League - Keeping CompanyCD / Vinyl / digital
Bill Laurance piano
Michael League oud, fretless bass, vocals
„Ein gemeinsames Projekt voranzutreiben, ist da auch eine Vergewisserung unserer selbst. Wir sind sehr enge Freunde und mit diesem Album feiern wir das.“ Bill Laurance Es gibt Duos, die werden extra zusammengestellt. Andere entstehen von alleine. So wie das von Pianist Bill Laurance und Bassist und Oud-Spieler Michael League. Die beiden kennen einander seit Studientagen. Der eine kam einst aus London nach Denton an die University Of North Texas, um seinen Horizont in andere Richtungen zu öffnen. Der andere hatte in seiner kalifornischen Heimat ursprünglich Gitarre gelernt, dann aber zum Bass gegriffen und war ebenfalls nach Texas gereist, um dort einen für ihn neuen Flow zu erleben. Die Beiden lernten einander schnell kennen und schätzen, sammelten musikalisch Gleichgesinnte um sich. Erlaubt war alles, was Spaß machte, Klassik, Soul, Folk, Jazz. Es war die Gründungsphase eines Kollektivs, das von 2003 an unter dem Namen Snarky Puppy bekannt werden und fortan im großen Tross die Welt bereisen sollte. Das gemeisame Duo von Bill Laurance und Michael League und dessen Album „Keeping Company“ sind so etwas wie der Gegenentwurf zum Snarky Puppy-Großformat. Statt um Energie und Extraversion geht es hier um die gemeinsame Innensicht. Man merkt es an der Wahl der Instrumente. Bill Laurance lässt die Keyboards im Case und konzentriert sich ganz auf das Piano, akustisch im Klang und bestenfalls ein wenig mechanisch präpariert. Michael League wählt eine bundlose Bassgitarre und die Oud, ein extremer Kontrast zum puren Groove voller Legato- und Rubato-Optionen mit transparent karger, aber atmosphärisch reicher Klangwirkung. Und sie verzichten auf die Band. Damit entsteht eine spezielle Freiheit für beide Beteiligten. „Die Oud hat für sich genommen schon einen sehr spezifischen Assoziationsraum“, erzählt Bill Laurance aus der orchestrale Perspektive des Klaviers. „Wenn ich komponiere, dann will ich das Publikum immer auch in andere Räume mitnehmen. Mit dem Klang der Oud funktioniert das. Sie ist keine Gitarre, hat etwas Exotisches. Eine Leinwand, auf die man etwas vieles malen kann. Schon beim ersten Album haben wir viel diskutiert, ob Michael eine bundlose Nylonsaiten-Gitarre spielen sollte. Es hat es ausprobiert, aber es kamen nicht die gleichen Melodien wie mit der Oud heraus. Der Sound und das Spielen ohne Bünde macht jedenfalls andere musikalische Informationen möglich. Das hat uns fasziniert.“ Und die Neugier hat bislang nicht nachgelassen. „Keeping Company“ ist das zweite Album des Duos nach dem international vielbeachteten „Where You Wish You Were“, das im Januar 2023 erschien. Die Vorbereitungsphase war außerordentlich produktiv. Beide Beteiligten schrieben viele Skizzen und Kompositionen, allein Bill Laurance über Wochen hinweg bis zu drei Stücke am Tag. Am Ende musste die Fülle komprimiert und in eine Form gebracht werden, in der die Musik resonierte: „Beim ersten Album ging es eher darum, einen Sound zu etablieren und die Dynamik zu erforschen. Inzwischen wollen wir tiefer einzutauchen. Es ist noch mehr Persönlichkeit in der Musik. Außerdem wollten wir ausprobieren, was wir bislang noch nicht erforscht haben, einen Hauch von Soul Jazz zum Beispiel. Und Musik, die nur zu zweit gespielt wird, ohne Overdubbing. Wir haben viel Schönheit darin gefunden, uns auf das Pure, das Organische zu konzentrieren.“ Das liegt auch daran, dass beide Musiker Ausflüge ins Unbekannte zulassen. Michael League etwa hat nie die traditionelle Spielweise der Oud studiert. Er kennt das Instrument ursprünglich von seinem Bruder, der es in den frühen 2000er Jahren in Griechenland studierte. Später wurde Ara Dinkjian, einer der weltweit angesehensten Meister des Instruments, Michael Leagues Mentor. Dieser war es auch, der ihn immer wieder ermutigte, die Oud aus seiner eigenen, intuitiven Perspektive zu erforschen. Bill Laurance wiederum verzichtet für das Spiel im Duo auf das Raumgreifende des Klaviers. Er bevorzugt kantable Melodien, rhythmisch prägnante, klare Begleitungen und kompakte Improvisationen. Die Stücke selbst wirken wie Miniaturen, auf ihren Kern reduziert, jedes eine kleine Welt für sich. „Keeping Company“ ist eine Momentaufnahme eines ungewöhnlichen Teams, ein Programm wie eine Sammlung klingender Polaroids. Denn Bill Laurance und Michael League sind bislang noch in der wunderbar inspirierenden Phase gemeinsamer Erkundungen. Es ist alles offen. Die Musik klingt spontan und intuitiv. Sie hat die Kraft des Persönlichen und baut auf einer Freundschaft auf, die auch Humor im motivischen Umgarnen verträgt. Vielleicht kommen eines Tages auch andere Player hinzu. Bislang aber ist der Dialog im musikalisch intimen Rahmen für Bill Laurance und Michael League die ideale Form des künstlerischen Gesprächs.Credits:
Produced by Bill Laurance, Michael League & Nic Hard
Peter Somuah - HighlifeCD / Vinyl / digital
Peter Somuah trumpet, vocals, cowbell
Jesse Schilderink tenor saxophone
Anton de Bruin keyboard, rhodes, synth
Jens Meijer drums
Danny Rombout congas, shekere
Marijn van de Ven double & electric bass
Lamisi Akuka vocals
Thomas Botchway talking drum & shekere on #09
Pat Thomas vocals
Gyedu-Blay Ambolley vocals
Bright Osei Baffour guitar on #02, #05 and #09
Die Geschichte von Peter Somuah ist eine Geschichte des Reisens. Der aus Ghana stammende, in Rotterdam lebende Trompeter hat sich einmal um die Welt gespielt – und das nicht nur wortwörtlich mit Festival-Auftritten zwischen Stockholm und Peking. Auch seine Musik begab sich auf Pionierwege: Zwischen Accra, der Hauptstadt Ghanas und seiner holländische Wahlheimat erzählt Somuah seine ganz eigene Geschichte. Eine Geschichte, die so disparate Vorbilder wie Miles Davis, Freddie Hubbard oder Roy Hargrove auf der Jazz-Seite mit den ghanaischen Highlife-Rhythmen aus den 60er Jahren zusammenführt. „Letter to the Universe“, das ACT-Debüt des jungen Welteneroberers, war ein ambitioniertes biographisches Mosaik, eine kosmopolitische Fusion der Vielzahl von Somuahs Einflüssen – und für die Süddeutsche Zeitung „ein Beweis, wie komplex der Jazz als Weltsprache funktioniert.“ Mit dem Nachfolge-Album „Highlife“ kehrt Peter Somuah zu seinen Ursprüngen und seiner ersten musikalischen Liebe zurück. Die gleichnamige, ikonische Musik seiner Heimat spielt er seit seiner Kindheit – und brachte später in Highlife-Bands vier Tage die Woche sein Publikum zum Tanzen. „Der Highlife hat die Art wie ich Trompete spiele, wie ich Musik höre und komponiere grundlegend beeinflusst“ sagt Somuah. Das habe sich auch in einem ganz eigenen Trompetensound niedergeschlagen: Diesem mal strahlenden, mal nuanciert-brüchigen Ton, den er als junger Mann auf den Platten von Highlife-Ikonen wie ‚ET Mensah‘ oder ‚The Ramblers‘ gehört hatte. Nun sieht er sich als Mittler zwischen „verwandten Welten“: Mit einem Fuß im modernen Jazz, mit dem anderen in einer traditionellen Highlife-Bar. Und das gemeinsam mit einer Band, die aus holländischen Musikern besteht. „Meine Mitspieler sind nicht in Ghana aufgewachsen“, sagt Somuah. „Aber das macht überhaupt nichts. Denn viel wichtiger ist ihre tiefe Leidenschaft für Highlife und Afrobeat und das Gespür, das sie für diese Musik entwickelt haben.“ Eingespielt hat Peter Somuah das Album in einem kleinen Hinterhofstudio in Berlin-Neukölln. Dessen zum Teil uraltes Analog-Equipment versprach erdiges Klangbild, wie es den historischen Highlife aus den 50er und 60er Jahren prägte. „Ich wollte diesen sehr besonderen Sound wieder zum Leben erwecken. Dessen Wärme, dessen Schneid, dessen überbordende Freude“. Anschließend flog Peter mit den Instrumentals nach Ghana und besuchte die Helden des alten Highlife wie Pat Thomas und Gyedu Blay-Ambolley. „Sie waren schon da, als ich geboren wurde und ich verehre sie, seitdem ich sie zum ersten Mal im Radio hörte. Damals hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal bei ihnen zu Hause in ihren Wohnzimmern sitzen würde, um sie für mein Album aufzunehmen.“ Peter Somuah lässt sein „Highlife“ Album mit einer Geschichtsstunde beginnen. Für „The Rhythm“ hat er die Highlife-Legende Koo-Nimo in Kumasi aufgesucht, lässt er den Veteranen von den Ursprüngen der Musik erzählen. Damals beschäftigten die britischen Kolonialherren Bands mit ghanaischen Musikern, damit diese für sie Walzer, Samba und westliche Unterhaltungsmusik spielten. Diese Bands traten ausschließlich in britischen Clubs und Casinos zum Vergnügen der Oberschicht auf – daher der Name „Highlife“. Die meisten Einheimischen dagegen durften die Musik nur von außen bewundern: „Später“, sagt Somuah ,“brauten die Musiker aus diesen Stilen ihre eigene Mischung. Sie verbanden westliche Instrumente mit älteren ghanaischen Stilen wie der Palmwein-Musik. Brachten tänzelnde Highlife-Gitarren-Riffs ins Spiel. Und fügten der 4/4-Signatur andere Rhythmen ein, etwa die typische, synkopische ‚Clave‘. Nun nimmt Peter Somuah diesen alchemistischen Prozess wieder auf und führt die Musik mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrer goldenen Zeit zu neuen Ufern. „Zwischenzeitlich war der ursprüngliche Highlife fast in Vergessenheit geraten“, sagt Somuah. „Viele der jungen Menschen kennen ihn nicht mehr“. Zwar hatte Präsident Kwame Nkrumah den Highlife nach der Unabhängigkeit Ghanas zum Nationaltanz erklärt, tourten Bands wie die von ET Mensah, dem „King of Highlife“ durch ganz Afrika. Aber in den 80er Jahren machte ein Militärputsch die lebendige Musikszene Accras zunichte. Die monatelange abendliche Ausgangssperre führte zur Schließung aller Clubs. Die meisten Musiker gingen ins Exil. „Hier bekam die Musik ganz neue Einflüsse“, erklärt Somuah. „Rock, Funk und vor allem Disco-Elemente wurden aufgenommen, Studio-produzierte Tracks und Keyboards ersetzten die großen Orchester“. Es war die ghanaische Exil-Gemeinde in Hamburg, die eine neue Spielart, den sogenannten „Burger-Highlife“ hervorbrachte.
Peter Somuah selbst praktizierte als Teil verschiedener Bands diesen populären Highlife-Stil, bevor er seiner Leidenschaft, dem Jazz, folgte. Der Funke sprang von Miles Davis über: Ein Freund hatte ihm dessen Musik vorgespielt – und Somuah verliebte sich auf Anhieb in die Sprache des afroamerikanischen Jazz-Revolutionärs: „Ich jammte im einzigen Jazz-Club Accras, imitierte Miles und Freddie Hubbard – versuchte aber gleichzeitig meinen eigenen Stil hineinzubringen“. Die Art wie Somuah Jazz-Aufbruch und Tradition zusammenbrachte war unerhört. Der Umzug nach Rotterdam sollte ihm und seinem holländischen Quintett einerseits weltweit viele Türen öffnen. Andererseits ermöglicht die Distanz Somuah nun eine neue Perspektive auf den Highlife. Was Peter Somuah am Herzen liegt, sind nicht nur die Sounds, sondern auch die Erzähltradition dieser Musik: „Typischerweise handelt sie von Alltagsgeschichten, erzählt von Liebe, Freundschaft und Familie, verbunden mit einer gewissen Moral“. Auch der Bandleader selbst erzählt und singt mit dem von ihm geschriebenen „Mental Slavery“ eine Geschichte– und tritt dabei in die Fußstapfen von Fela Kuti, einem weiteren seiner langjährigen Idole und Ideengeber. „Ich rede vom andauernden Erbe der Kolonialzeit: Noch immer sind viele Ghanaer geistig versklavt, betrachten sich als minderwertig. Sie trauen sich nicht, sich selbstbewusst der Welt zu zeigen, sich mit ihrem Können einzubringen“. Peter Somuahs „Highlife“-Album wirkt da wie ein Gegenentwurf. Eine starke Kombination von musikalischer Freiheit und dem Mut zu sich selbst zu stehen. Denn beides gehört für ihn zusammen: Die Rhythmen der Großeltern zu tanzen – und dabei gleichzeitig in die Zukunft des Jazz zu schauen. Credits:
Cover art von Mistmeister Arts & Kolinsky
Ab
18,00 €*
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