Zurück
VÖ: 30.06.2023
Genre: Piano Jazz
Joachim Kühn / piano
Chris Jennings / bass
Eric Schaefer / drums
Atom String Quartet
Dawid Lubowicz / violin
Mateusz Smoczyński / violin, baritone violin
Michał Zaborski / viola
Krzysztof Lenczowski / cello
Recorded live in concert by Thomas Schöttl at Jazz at Berlin Philharmonic, Kammermusiksaal, October 14, 2022 Mixed and mastered by Klaus Scheuermann Produced by Joachim Kühn Curated by Siggi Loch
the art in music: Cover art by Shoshu
Krzysztof Komeda - eine Legende des polnischen und Wegweiser des europäischen Jazz. Als Filmkomponist für zahlreiche Roman Polanski Filme wie „Tanz der Vampire“ und „Rosemaries Baby“ wurde er weltberühmt. Früh verstarb diese große Künstlerpersönlichkeit 1969 mit nur 37 Jahren, hinterließ aber in der kurzen Spanne seines Lebens ein einflussreiches Werk. Joachim Kühn, heute selbst eine Ikone des Jazzpianos, ist ein großer Bewunderer von Komeda, den er 1965 in Warschau persönlich kennengelernt hat. Bei Jazz at Berlin Philharmonic, kuratiert von Siggi Loch, widmete er ihm am 14. Oktober 2022 eine Hommage – solo, mit seinem New Trio sowie mit dem polnischen Atom String Quartet.
Mag Krzysztof Komeda hierzulande vielen kein Begriff sein, in seiner Heimat hat er einen Rang wie sonst nur Frederik Chopin. Mit ihm verbindet sich der Aufstieg des polnischen Jazz von einer Untergrund-Bewegung zu einem Kultur-Leuchtturm, ja fast zu einer neuen Art Nationalmusik. Mit Strahlkraft über seine Heimat hinaus, denn er avancierte zu einer Schlüsselfigur der Emanzipation des europäischen vom amerikanischen Jazz: Zeitgleich mit Lars Gullin und Jan Johansson in Schweden und auch im Ansatz vergleichbar, verschmolz Komeda die eigene Volksmusik und ihre typischen Melismen mit den Charakteristika des Jazz. Er wurde so einem der großen Lyriker des Klangs. Sein früher Unfalltod machte ihn in seiner Heimat früh zur Kultfigur. In seinen letzten Jahren hatte sich Komeda vor allem auf Filmmusik konzentriert, Roman Polanski holte ihn 1967 nach Hollywood. Ein Höhepunkt seines Jazz-Schaffens war zweifellos das Album „Astigmatic“, dass 1965 unter anderem mit dem Trompeter Tomasz Stanko in einer einzigen nächtlichen Session entstand. Bis heute wird es in Polen jährlich zur wichtigsten Jazzaufnahme gewählt, das britische Magazin Jazzwise führt es als eines der „Jazzalben, die die Welt erschütterten.“
Schon deswegen könnte es für eine musikalische Verbeugung vor Komeda keinen besseren Gastgeber und Interpreten geben als Joachim Kühn. War er doch 1965 bei der Aufnahme von „Astigmatic“ als Zuhörer im Studio, nachdem beide Bands vorher auf der „Jazz Jamboree“ in der Nationalphilharmonie Warschau gespielt hatten. „Für mich war Komeda schon damals einer der großen Visionäre des europäischen Jazz,“ erinnert sich Kühn. Komedas Kompositionen gehören deshalb seitdem zum Repertoire des nicht minder visionären Joachim Kühn, der die kleine Schar der deutschen Jazzer mit internationaler Geltung anführt – und das seit bald 60 Jahren.
Mit den drei Stücken des legendären Albums „Astigmatic“, „Kattorna“ und „Svantetic“ beginnt das Jazz at Berlin Philharmonic Konzert auch. Kühn demonstriert sich als als primus inter pares unter den phänomenalen Begleitern des Abends: Seinem „New Trio“ mit Eric Schaefer am Schlagzeug und Chris Jennings am Bass, sowie dem Atom String Quartet, „ein Weltklasse-Quartett mit einer kraftvollen Mischung aus Klassik und Jazz-Improvisation“ (Jazzwise), mit Dawid Lubowicz und Mateusz Smoczyński an den Violinen, Michał Zaborski an der Viola und Krzysztof Lenczowski am Cello. Es ist eine rauschhafte halbe Stunde, die diese sieben Ausnahmemusiker gemeinsam aus diesem Opus magnum erstehen lassen: Spannende freie Improvisationen und Soli wechseln ab mit den wuchtigen Themen des immer bildhaft denkenden Komeda; größtmögliche Individualität mit einem unfassbar antizipierenden Interplay. Mitreißend, modern und von zeitloser Schönheit.
Nicht minder bezwingend und dramaturgisch perfekt schließen dann Einzelbearbeitungen aus Komedas Werk an: Kühns fast romantisches, wundervoll weiches Solo über „After the Catastrophe“; sein bewegendes Duo mit Mateusz Smoczyński bei der 1961 entstandenen „Moja Ballada“; die Atom String Quartet-Fassung von „Crazy Girl“ aus Komedas Soundtrack zu Polanskis „Messer im Wasser“; schließlich die schillernde Trio-Bearbeitung des berühmten Wiegenliedes „Sleep Safe and Warm“ aus „Rosemaries Baby“, bevor sich alle noch einmal gemeinsam zum furiosen Finale mit „Roman II“ zusammenfinden. Viele Bögen, musikalische wie historische, runden sich hier. Was Komeda mit Kühn außerdem verbindet und hier nahezu greifbar ist: Für beide war Jazz das Fenster in die Freiheit. So versteckte Krzysztof Trzciński, wie er bürgerlich hieß, seine Musikerexistenz lange hinter seinem Beruf als Hals-Nasen-Ohren-Arzt und dem Pseudonym Komeda, bis seine Popularität vom Staat nicht mehr zu unterdrücken war. Und Joachim Kühn entzog sich der Bevormundung durch das DDR-Regime als 22-Jähriger durch die Flucht in den Westen. Mithilfe seines Bruders Rolf, der ihm auch Starthilfe gab für seine Weltkarriere, die ihn als Kosmopoliten in die USA, nach Frankreich und Spanien, vor allem aber in die künstlerische Freiheit führte.
Auch dieser Kreis schließt sich am Ende bei Jazz at „Berlin Philharmonic: Komeda“. Als Zugabe spielt Joachim Kühn zur Erinnerung an den kurz zuvor verstorbenen Bruder das bewegende „My Brother Rolf“. Alleine das rechtfertigt den kürzlich im April an beide verliehenen Ehrenpreis des Deutschen Jazzpreises.
Chris Jennings / bass
Eric Schaefer / drums
Atom String Quartet
Dawid Lubowicz / violin
Mateusz Smoczyński / violin, baritone violin
Michał Zaborski / viola
Krzysztof Lenczowski / cello
Recorded live in concert by Thomas Schöttl at Jazz at Berlin Philharmonic, Kammermusiksaal, October 14, 2022 Mixed and mastered by Klaus Scheuermann Produced by Joachim Kühn Curated by Siggi Loch
the art in music: Cover art by Shoshu
Krzysztof Komeda - eine Legende des polnischen und Wegweiser des europäischen Jazz. Als Filmkomponist für zahlreiche Roman Polanski Filme wie „Tanz der Vampire“ und „Rosemaries Baby“ wurde er weltberühmt. Früh verstarb diese große Künstlerpersönlichkeit 1969 mit nur 37 Jahren, hinterließ aber in der kurzen Spanne seines Lebens ein einflussreiches Werk. Joachim Kühn, heute selbst eine Ikone des Jazzpianos, ist ein großer Bewunderer von Komeda, den er 1965 in Warschau persönlich kennengelernt hat. Bei Jazz at Berlin Philharmonic, kuratiert von Siggi Loch, widmete er ihm am 14. Oktober 2022 eine Hommage – solo, mit seinem New Trio sowie mit dem polnischen Atom String Quartet.
Mag Krzysztof Komeda hierzulande vielen kein Begriff sein, in seiner Heimat hat er einen Rang wie sonst nur Frederik Chopin. Mit ihm verbindet sich der Aufstieg des polnischen Jazz von einer Untergrund-Bewegung zu einem Kultur-Leuchtturm, ja fast zu einer neuen Art Nationalmusik. Mit Strahlkraft über seine Heimat hinaus, denn er avancierte zu einer Schlüsselfigur der Emanzipation des europäischen vom amerikanischen Jazz: Zeitgleich mit Lars Gullin und Jan Johansson in Schweden und auch im Ansatz vergleichbar, verschmolz Komeda die eigene Volksmusik und ihre typischen Melismen mit den Charakteristika des Jazz. Er wurde so einem der großen Lyriker des Klangs. Sein früher Unfalltod machte ihn in seiner Heimat früh zur Kultfigur. In seinen letzten Jahren hatte sich Komeda vor allem auf Filmmusik konzentriert, Roman Polanski holte ihn 1967 nach Hollywood. Ein Höhepunkt seines Jazz-Schaffens war zweifellos das Album „Astigmatic“, dass 1965 unter anderem mit dem Trompeter Tomasz Stanko in einer einzigen nächtlichen Session entstand. Bis heute wird es in Polen jährlich zur wichtigsten Jazzaufnahme gewählt, das britische Magazin Jazzwise führt es als eines der „Jazzalben, die die Welt erschütterten.“
Schon deswegen könnte es für eine musikalische Verbeugung vor Komeda keinen besseren Gastgeber und Interpreten geben als Joachim Kühn. War er doch 1965 bei der Aufnahme von „Astigmatic“ als Zuhörer im Studio, nachdem beide Bands vorher auf der „Jazz Jamboree“ in der Nationalphilharmonie Warschau gespielt hatten. „Für mich war Komeda schon damals einer der großen Visionäre des europäischen Jazz,“ erinnert sich Kühn. Komedas Kompositionen gehören deshalb seitdem zum Repertoire des nicht minder visionären Joachim Kühn, der die kleine Schar der deutschen Jazzer mit internationaler Geltung anführt – und das seit bald 60 Jahren.
Mit den drei Stücken des legendären Albums „Astigmatic“, „Kattorna“ und „Svantetic“ beginnt das Jazz at Berlin Philharmonic Konzert auch. Kühn demonstriert sich als als primus inter pares unter den phänomenalen Begleitern des Abends: Seinem „New Trio“ mit Eric Schaefer am Schlagzeug und Chris Jennings am Bass, sowie dem Atom String Quartet, „ein Weltklasse-Quartett mit einer kraftvollen Mischung aus Klassik und Jazz-Improvisation“ (Jazzwise), mit Dawid Lubowicz und Mateusz Smoczyński an den Violinen, Michał Zaborski an der Viola und Krzysztof Lenczowski am Cello. Es ist eine rauschhafte halbe Stunde, die diese sieben Ausnahmemusiker gemeinsam aus diesem Opus magnum erstehen lassen: Spannende freie Improvisationen und Soli wechseln ab mit den wuchtigen Themen des immer bildhaft denkenden Komeda; größtmögliche Individualität mit einem unfassbar antizipierenden Interplay. Mitreißend, modern und von zeitloser Schönheit.
Nicht minder bezwingend und dramaturgisch perfekt schließen dann Einzelbearbeitungen aus Komedas Werk an: Kühns fast romantisches, wundervoll weiches Solo über „After the Catastrophe“; sein bewegendes Duo mit Mateusz Smoczyński bei der 1961 entstandenen „Moja Ballada“; die Atom String Quartet-Fassung von „Crazy Girl“ aus Komedas Soundtrack zu Polanskis „Messer im Wasser“; schließlich die schillernde Trio-Bearbeitung des berühmten Wiegenliedes „Sleep Safe and Warm“ aus „Rosemaries Baby“, bevor sich alle noch einmal gemeinsam zum furiosen Finale mit „Roman II“ zusammenfinden. Viele Bögen, musikalische wie historische, runden sich hier. Was Komeda mit Kühn außerdem verbindet und hier nahezu greifbar ist: Für beide war Jazz das Fenster in die Freiheit. So versteckte Krzysztof Trzciński, wie er bürgerlich hieß, seine Musikerexistenz lange hinter seinem Beruf als Hals-Nasen-Ohren-Arzt und dem Pseudonym Komeda, bis seine Popularität vom Staat nicht mehr zu unterdrücken war. Und Joachim Kühn entzog sich der Bevormundung durch das DDR-Regime als 22-Jähriger durch die Flucht in den Westen. Mithilfe seines Bruders Rolf, der ihm auch Starthilfe gab für seine Weltkarriere, die ihn als Kosmopoliten in die USA, nach Frankreich und Spanien, vor allem aber in die künstlerische Freiheit führte.
Auch dieser Kreis schließt sich am Ende bei Jazz at „Berlin Philharmonic: Komeda“. Als Zugabe spielt Joachim Kühn zur Erinnerung an den kurz zuvor verstorbenen Bruder das bewegende „My Brother Rolf“. Alleine das rechtfertigt den kürzlich im April an beide verliehenen Ehrenpreis des Deutschen Jazzpreises.
Joachim Kühn
Eindringlichkeit und WahrhaftigkeitRund um seinen 80.
Geburtstag am 15. März 2024 wandert Joachim Kühn über ein Hochplateau
seiner Piano-Kunst, schöpft aus der Fülle der Erfahrungen und
konzentriert sich ganz auf die Gegenwart, auf den Moment. Wie schon sein
ganzes Leben lang. Dennoch muss man zu diesem Anlass festhalten:
Wie kein anderer Jazzpianist aus Deutschland hat sich Joachim Kühn einen
Platz in der internationalen Spitze des Genres erspielt. Er kann auf
Jahrzehnte eines Schaffens zurückblicken, in denen er Jazzgeschichte
nicht nur miterlebt, sondern maßgeblich mitgestaltet und vorangetrieben
hat. Joachim Kühns Bedeutung unterstreicht auch das Bundesverdienstkreuz
Erster Klasse, welches ihm Bundespräsident Frank Walter Steinmeier am
12.4. verleiht.
Joachim Kühn und ACT-Gründer Siggi Loch teilen eine mehr als
50-jährige Verbindung, die mit der Veröffentlichung von „Springfever“
1972 auf Atlantic Records begann, sich seit 1992 auf ACT fortsetzt und
in der aktuellen Dekade unter Andreas Brandis eine fruchtbare
Fortführung findet. Kühns 19 Alben auf ACT zeigen einen Musiker von
beeindruckender Bandbreite. Diese reicht von der Jazzsymphonie
„Europeana“ über das Nordafrika und Europa vereinende Trio Kühn / Bekkas
/ López und das Joachim Kühn New Trio bis zum
generationenübergreifenden Duo mit Michael Wollny und mehreren
Soloaufnahmen.
In seinem Spiel verbindet Joachim Kühn ein unbändiges Streben
nach künstlerischer Freiheit mit einem untrüglichen Sinn für
musikalische Qualität und spielerische Leichtigkeit mit starken
Emotionen. Seine Konzerte und Aufnahmen gleichen Ereignissen,
entfalten sich in rauschhaften Improvisationen und finden wie von selbst
zu faszinierenden Verlaufsformen. Das trifft auf seine Soloauftritte
ebenso zu wie auf sein Spiel im New Trio mit dem Bassisten Chris
Jennings und dem Schlagzeuger Eric Schaefer wie auch auf das Duo mit dem
Jahrzehnte jüngeren Michael Wollny – dokumentiert auf zwei ACT Alben,
zuletzt auf „DUO“ Anfang 2024. Kühn und Wollny sind einander
wesensverwandt in der Tiefe des musikalischen Empfindens, in ihrer
überbordenden Phantasie, ihrer künstlerischen Kompromisslosigkeit und im
Streben nach dem Überschreiten musikalischer Grenzen. Kann man im Spiel
der beiden einen Nachhall der großen klassischen und romantischen
Klaviertradition hören, so offenbart Joachim Kühn im Trio wie stark er
die Essenzen des Jazz assimiliert hat und zugleich in eine eigene,
innovativ orientierte Klangsprache zu transformieren zu weiß.
Die Laufbahn von Joachim Kühn umspannt Zeiten, Länder, Kontinente
und lässt bei allen musikalischen Umbrüchen eine Konstante erkennen:
Das Streben nach Freiheit. Geboren 1944 in Leipzig, hat er sich seit
früherster Jugend an den Großen orientiert – an John Coltrane, an
Ornette Coleman, an Bach. Sein älterer Bruder, der Klarinettist Rolf
Kühn, wurde sein Vorbild und später sein musikalischer Partner. Mit
seinem frühen Idol Ornette Coleman verband ihn eine lange und intensive
Zusammenarbeit. Und die Verehrung für Johann Sebastian Bach wurde im
gemeinsamen Musizieren mit dem Leipziger Thomanerchor zu einer
klanggewaltigen Reminiszenz.
Joachim Kühns atemlose Karriere lässt sich kaum mehr im Zeitraffer erfassen: Free
Jazz im heißen Klima der sechziger Jahre in Paris, Fusion Music in
Kalifornien, moderner Jazz in New York, Solo, Duos, Trios, unzählige
Platten, schließlich die Entscheidung für Ibiza als Wohnsitz, von dem
aus die Wege den Pianisten in alle Welt führen. Für jemanden wie Joachim
Kühn, der zu einhundert Prozent in der Musik lebt, gibt es keinen
Stillstand. Sich weiterzuentwickeln ist für ihn eine innere Triebkraft,
obwohl er sich längst mit dem Erreichten glücklich und zufrieden geben
könnte. Er hat mit der Königsklasse des Jazz gespielt, mit Musikern wie
Ornette Coleman, Archie Shepp, Pharoah Sanders und Joe Henderson. Er hat
mit seinem Bruder Rolf und dem Coltrane-Bassisten Jimmy Garrison
"Impressions Of New York" aufgenommen. Sein Trio mit Daniel Humair und
Jean-François Jenny-Clark ist aus der europäischen Jazzgeschichte nicht
mehr wegzudenken. Und im Trio mit Majid Bekkas und Ramón López oder im
Duo mit Rabih Abou-Khalil gelang ihm die Öffnung des Jazz zu den
Kulturen der Welt.
Doch für diesen Pianisten hat die Suche kein Ende. Technisch
gibt es für ihn schon lange keine Grenzen mehr. Es geht ihm, sagt
Joachim Kühn, um die pure Musik. Mit der größten Eindringlichkeit und
Wahrhaftigkeit
Joachim Kühn
Tipp